Mitgliedermagazin der Vereinigung Cockpit

Quo Vadis Tarifpolitik?

Die Mitgliederbefragung bringt erste wichtige Erkenntnisse

13.04.2021 Tarif von Dr. Marcel Gröls

© Andrey Popov / Shutterstock

NextGen ist in aller Munde und die ersten, mit Spannung erwarteten Workshops, starten schon im April. Ein sehr wichtiger erster Schritt auf unserem Weg war und ist die Arbeit der Wertekommission. Dort nämlich erarbeiten die Kolleginnen und Kollegen – so praktisch wie möglich und so abstrakt wie nötig – allgemeine Leitlinien für unser Selbstverständnis. Zur Erinnerung: Wir haben die Wertekommission nicht zufällig vor allen anderen Kommissionen tagen lassen, sondern es ergibt offenkundig viel Sinn, wenn die Ergebnisse in die Arbeit der anderen Workshops einfließen.

Ein anderer wichtiger vorgelagerter Handlungsstrang ist die Mitgliederbefragung. Etwa zehn Prozent der Mitglieder haben sich viel Zeit genommen, um zu antworten – ein hoher Wert, der repräsentativ ist und Euer Interesse an der künftigen Aufstellung der Organisation dokumentiert. Doch was sind nun die konkreten Ableitungen und Erkenntnisse für die Tarifpolitik?

Konkret wurdet Ihr gefragt, wie Ihr die Aufstellung des Systems der Tarifarbeit insgesamt bewertet; wie Ihr die tarifpolitische Zusammenarbeit der Gremien bewertet und ob die Funktion des Vorsitzenden Tarifpolitik angemessen ausgestaltet ist. 

Die Ergebnisse im Einzelnen

Die der Frage nach dem System der Tarifarbeit gibt es, wie in der Abbildung 1 gezeigt, überwiegend positive Resonanz. 62 % der Befragten verteilen Noten zwischen 1 und 3. Für eine Organisation, deren Geschäftszweck nicht zuletzt das Aushandeln der Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder ist, kann das allerdings kein wirklich zufriedenstellender Wert sein. Wir leiten daraus ab, dass die Tarifarbeit der VC im Ganzen analysiert und bewertet werden muss. Alternative Strukturen müssen als Vergleich und Impulsgeber analysiert werden: Passt das zu uns? Lassen sich Elemente übernehmen? Haben wir Ideen in den Reihen unserer Mitglieder – oder auch bei den hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen – die geeignet sind, das System zu verbessern? 

© Vereinigung Cockpit
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Eng verwandt mit der Frage nach dem Tarifsystem ist die Frage nach der tarifpolitischen Zusammenarbeit (Abbildung 2). 

Wer schon das Vergnügen hatte, mit Ergebnissen empirischer Sozialforschung zu arbeiten, der weiß: Die Ergebnisse sind selten sehr klar und erfordern oftmals eine gewisse Interpretation. Dieses Problem hatten wir hier nicht. Im Gegenteil: Deutlich über die Hälfte der Mitglieder (58,3%) ist klar und deutlich unzufrieden mit dem tarifpolitischen Zusammenspiel der Gremien. Fast ein Fünftel vergibt bei dieser Frage sogar die schlechtestmögliche Bewertung von 6, während die auch nicht viel schmeichelhaftere Bewertung von 5 noch von 19,3 % der Befragten vergeben wird. 

Das sind in keinster Weise zufriedenstellende Werte, die wirklich nicht hingenommen werden können. Der Wert legt auch nicht nahe, dass es mit einigen kleineren Anpassungen und Neujustierungen getan ist. Alles muss auf den Prüfstand! Wir müssen mutig bereit sein, an allen Strukturen zu justieren und zu feilen, wo es notwendig erscheint. Bei keiner anderen Frage geben uns die Mitglieder einen derart klaren Handlungsauftrag mit auf den Weg, wie hier. 

Wo genau hapert es bei dem Zusammenspiel? Hierauf bekommen wir sehr unterschiedliche Antworten. Die einen monieren, dass ein Vorstandsveto gegen eine Entscheidung einer Tarifkommission ein klares Zeichen dafür sei, dass im Vorfeld nicht ausreichend miteinander gesprochen wurde. Die anderen beklagen eine fehlende Zusammenarbeit zwischen den Tarifkommissionen bei betriebsübergreifenden Sachverhalten. Wieder andere wünschen sich eine bessere Vertretung der einzelnen Beschäftigtengruppen und argwöhnen, dass hier die Zusammenarbeit innerhalb der Gremien wohl nicht optimal sei. 

Insgesamt ergibt sich das Bild, dass Lösungen gewünscht werden, welche eine gewisse Autonomie für Tarifkommissionen ermöglichen, wo dies möglich ist, gleichzeitig wird jedoch übergeordnete Führung und Koordination eingefordert, wo es nötig ist. Bei künftigen Konzepten ist diese Ambiguität zu berücksichtigen. 

Insgesamt wird eine bessere Koordination der Tarifpolitik innerhalb des Verbandes gewünscht. Das hat einerseits etwas mit den Strukturen zu tun, andererseits auch mit den Handlungsmöglichkeiten der hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen – also mit den Leuten, die beruflich den ganzen Tag nichts anderes machen und nicht noch nebenher Flugzeuge fliegen dürfen. Bezüglich der Funktion des Vorsitzenden Tarifpolitik (wohlgemerkt: es war nach der Funktion gefragt, nicht nach dem Stelleninhaber) gab es mit 76 % schon eine recht hohe Zustimmung, wobei das „unzufriedene Viertel“ natürlich auch noch Verbesserungspotenzial aufzeigt (Abbildung 3). Die Rolle des Amtes wird als „vereinender Faktor“ in der tarifpolitischen Arbeit gesehen und so wünschen sich nicht wenige Befragte, ob sie nun zu den zufriedenen drei Vierteln oder zum unzufriedenen Viertel zählen, ein gegenüber dem Vorstand und den Tarifkommissionen wirkmächtiger agierendes Organ.

Wer die Geschichte der Vereinigung Cockpit in Tarifangelegenheiten kennt, der weiß, dass ist kein ganz trivialer Punkt. Vor einigen Jahren standen wir schon einmal vor der Situation, dass die Rolle des Vorsitzenden Tarifpolitik im Gegenteil als zu dominant wahrgenommen wurde. Hier kommt es jetzt auf die Workshops an, die für unsere Zeit richtige Dosierung und Einbettung in das Gesamtgefüge der Organisation zu finden – für den Vorsitzenden Tarifpolitik und letztlich auch für seinen „verlängerten Arm“, die Tarifabteilung. 

Klarer Handlungsauftrag

Was folgt aus alldem? Wir krempeln die Ärmel hoch und gehen es an – mit unseren Workshops. In guter, alter Pilot(innen)manier müssen jetzt alle relevanten Fakten auf den Tisch. Daraus werden Optionen entwickelt. Diese werden dann analysiert und bewertet – welche Risiken und welche Benefits ergeben sich? Daraus folgen Entscheidungsempfehlungen für den Vorstand und die Mitgliederversammlung. Wenn wir dann nach einer angemessenen Frist einen Evaluierungsprozess durchführen, um zu prüfen, ob die Entscheidungen richtig waren oder einer Nachjustierung bedürfen, dann haben wir alle Aspekte vor „FORDEC“ einmal mustergültig durchgespielt. 

Jetzt kommt es auf Sie an: Ich setze auf eine möglichst breite Beteiligung aus allen Ecken und Enden des Verbandes: Jung, alt, Kapitän und Copilot, Kolleginnen und Kollegen, Kleinbetrieb und Großbetrieb – wir kommen nur zu großartigen Ergebnissen, wenn die Mannschaft, die uns in den Workshops dahin führt, möglichst divers ist. Ich freue mich außerordentlich auf die Zusammenarbeit!