Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie hat sich bezüglich der Beantwortung obiger Fragen eine neue Dynamik entwickelt. Befürworter einer möglichst hohen Automation, in welcher letztendlich nur noch ein, oder sogar gar kein Pilot, mehr im Cockpit eines Flugzeugs sitzt, führen nun als weiteres Argument hierfür die Reduzierung einer möglichen Übertragungsquelle an – keine, oder zumindest weniger, Piloten im Cockpit bedeutet weniger potenzielle (Über-)Träger des Virus.
Die European Cockpit Association (ECA – Dachverband der europäischen Pilotenverbände) warnt davor, aus dem Krisenmodus heraus vorschnelle Entscheidungen zu treffen. Die Themen Automation und Autonomie sind komplex und vielschichtig - es bedarf daher einer ganzheitlichen Betrachtung vieler Aspekte. Die ECA beschäftigt sich schon seit einiger Zeit (lange vor der COVID-19 Pandemie) intensiv mit der Thematik.
So veranstaltete in diesem Zusammenhang die ECA im Mai 2019 einen AG-übergreifenden Automation-/Autonomy-Workshop, an welchem unter anderem auch Mitglieder der VC -Arbeitsgruppen ADO, ATS, QUAT, SEC und UAS+ (ehemals RPAS) teilnahmen. Die Ergebnisse dieses Workshops bildeten die Grundlage für das unlängst veröffentlichte ECA Positionspapier „Unmanned Aircraft Systems and the Concepts of Automation and Autonomy“
Einige Kernpunkte des Papiers
- Das derzeitige Sicherheitsniveau der kommerziellen bemannten Luftfahrt darf durch die Einführung zukünftiger hochautomatisierter und/oder autonomer Systeme nicht negativ beeinflusst werden.
- Um in einem gemeinsamen Luftraum operieren zu können, ist ein ganzheitlicher Ansatz für die bemannte und unbemannte Luftfahrt erforderlich. Folglich müssen alle Aspekte (regulatorisch, technisch, verfahrenstechnisch, systemtechnisch) einbezogen und die Kompatibilität sichergestellt werden.
- Die Begriffe Automatisierung und Autonomie sollten nicht synonym verwendet werden, da sie sehr unterschiedliche Konzepte implizieren.
- „Autonome Systeme“ bestimmen ihre eigenen Missionen, treffen während der Mission eigene Entscheidungen und führen ihre eigenen strategischen Planungen durch - d.h. sie sind völlig selbstbestimmt und beherrschen sich selbst. Autonome Flugsysteme im obigen Sinne sind realistischerweise kurz- bis mittelfristig nicht realisierbar. Ein System, welches diese Kriterien nicht erfüllt, sollte nur als „automatisiertes System“ bezeichnet werden (wobei hierbei die höchste Stufe ein „vollautomatisiertes System“ ist).
- Ein kompetenter Mensch muss immer die Kommando-Gewalt haben
- Basierend auf den SAE-Stufen der Antriebsautomatisierung (SAE J30161) unterscheidet die ECA sechs Automatisierungs-Level. Von Automations-Level 0 bis 3 muss ein Pilot-in-Command mit traditionellen Piloten-Fähigkeiten (inklusive manueller fliegerischer Fähigkeiten) vorhanden sein. Für die Automatisierungsstufen 4 und 5 muss es einen Mission Commander mit den entsprechenden Fähigkeiten und Kompetenzen geben (manuelle fliegerische Fähigkeiten sind hier unter Umständen nicht mehr zwingend notwendig). Für die Automatisierungsstufe 4 schließt dies Luftfahrtkenntnisse (Airmanship-Competency) ein.
- Es muss ein formalisierter Prozess vorhanden sein, der eine sichere und kompatible Funktion von Systemen gewährleistet, die auf künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen basieren. Idealerweise unter Verwendung von offenem Quellcode.
- Zumindest muss ein akribisches Protokoll über die Lernschritte des Systems geführt werden, um nachvollziehen zu können, was das System tut und warum.
Die Arbeit geht selbstverständlich weiter. Die AGs der ECA, sowie die Flight Safety Abteilung der VC werden die weiteren Entwicklungen kritisch mitverfolgen. Wir freuen uns über Rückmeldungen und Input Ihrerseits – besonders auch über Interesse an einer möglichen Mitarbeit in der Flight Safety. Die AG UAS+ erreichen Sie unter aguasplus@vcockpit.de.
Die European Cockpit Association warnt davor, aus dem Krisenmodus heraus vorschnelle Entscheidungen zugunsten einer möglichst hohen Automation zu treffen. Die Themen Automation und Autonomie sind komplex und vielschichtig - es bedarf daher einer ganzheitlichen Betrachtung vieler Aspekte.