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91% illegal - Die reale Gefahr von Drohnen

Während der Verband Unbemannte Luftfahrt von etwa 500.000 Drohnen in Deutschland ausgeht, von denen rund 20.000 gewerblich genutzt werden, sprechen andere Studien von teilweise mehr als doppelt so hohen Zahlen. Gleichzeitig erreichen uns so gut wie keine Meldungen über gefährliche Annäherungen zu Drohnen. Existiert also gar kein Problem oder sehen wir es nur nicht?

20.08.2020 Flight Safety von Felix Gottwald

Drohne

© Shutterstock / glebTv

Seit vielen Jahren analysieren wir in den verschiedensten Gremien gefährliche Annäherungen zwischen Flugzeugen, wobei wir uns vor allem auf den Mischverkehr zwischen IFR und VFR konzentrieren. Diese betreffen Teilnehmer am Luftverkehr, die bereits seit Jahrzehnten am Himmel über Deutschland unterwegs sind. Vom Segelflieger bis zum Verkehrsflugzeug hat sich an der grundlegenden Struktur, der an der Luftfahrt beteiligten, nicht viel geändert. Seit einigen Jahren wächst allerdings die Anzahl von Drohnen (UAS – Unmanned Aircraft Systems), wobei kaum klare Zahlen vorliegen.

Drohnen sehen und ausweichen?

Abseits der großen Verkehrsflughäfen beruht ein Großteil der Kollisionsvermeidung zwischen Flugzeugen auf dem Prinzip des „Sehen und Ausweichen“. Doch wie wahrscheinlich ist es für einen Piloten, eine Drohne zu erkennen? In einem Artikel der Embry-Riddle Universität vom Oktober 2019 hat man sich genau diese Frage gestellt1. Dabei wurden zehn erfahrene Piloten mit perfekter Sehkraft ausgewählt, die in modernen Cessna 172 je fünf Anflüge auf ein Testgelände bei gutem Wetter flogen. Gleichzeitig flogen DJI Phantom IV (weiße Quadcopter) in etwa 50 Fuß Höhe in verschiedenen Manövern um den Flugplatz und durch den Endanflug.

Bei 40 Flügen wurden lediglich zwölf Drohnen entdeckt, wobei die Quote bei sich bewegenden Zielen höher war (50%) als bei stationären Drohnen (13,6%). Im Schnitt wurden diese wenigen Sichtungen in einer Entfernung von etwa 400 Meter zum Ziel erreicht. Dabei fiel es den Piloten zwar leichter, Ziele im zentralen Sichtbereich zu erkennen, aber im peripheren Sichtfeld fielen die Drohnen kaum noch auf. Auch wenn man als Pilot noch am Scan der Umgebung arbeiten kann, sind hier vor allem auch die Drohnenhersteller und Gesetzgeber in der Pflicht, eine gute Erkennbarkeit sicherzustellen.

Trotz der relativ langsamen Anfluggeschwindigkeiten von etwa 65 Knoten blieben im Schnitt nur 14 Sekunden zwischen dem Erkennen einer Drohne und der nächsten Annäherung. Verkehrsflugzeuge fliegen mehr als doppelt so schnell und sind in ihrer Bedienung komplexer. Ein Erkennen von Drohnen erscheint in diesem Fall als sehr unwahrscheinlich. Darüber hinaus kann man nicht davon ausgehen, dass ein behäbiges Flugzeug in Landekonfiguration in dieser Zeitspanne nennenswert von seinem Flugweg abweichen kann. Während für Verkehrsflugzeuge ein Einschlag einer Drohne vielleicht noch ein kontrollierbares Luftfahrzeug hinterlässt, muss man davon ausgehen, dass eine Kollision selbst von kleinen Drohnen mit Flugzeugen der Allgemeinen Luftfahrt oder Helikoptern katastrophale Folgen hat.

Tödlicher Einschlag

Eine Studie des britischen Pilotenverbandes BALPA, des Verkehrsministeriums und der Militärluftfahrtbehörde in Großbritannien hat bereits 2016 festgestellt, dass selbst kleine Drohnen unter einem Kilogramm Gewicht die Scheibe eines Helikopters ohne Vogelschlagzertifizierung bei Geschwindigkeiten weit unterhalb der normalen Reisegeschwindigkeit durchschlagen können (das gilt analog für viele Kleinflugzeuge)2. Die Scheiben von Verkehrsflugzeugen können diese Drohnen bei typischen Geschwindigkeiten im unteren Luftraum bis zu 250 Knoten zwar „verkraften“, werden aber bei einer Drohne von vier Kilogramm ebenfalls höchstwahrscheinlich komplett durchdrungen.

The Riga Study

Ende November 2019 veröffentlichte Eurocontrol eine Studie zu Flugbewegungen von Drohnen über Riga3. In einem sehr aufwendigen Verfahren wurden Flugbewegungen von Drohnen erfasst und ausgewertet. Dabei waren 91 Prozent aller Drohnenflüge illegal. Selbst im Herbst 2018 wurden unter widrigen Wetterbedingungen in 37 Tagen 174 Drohnenflüge gezählt – 26 Prozent davon außerhalb der genehmigten Betriebszeiten. In etwa 40 Prozent der Fälle waren Drohnen näher als 5 Kilometer an der Landebahnschwelle des Flughafens Riga und quasi alle Flüge waren zu hoch (die höchste gemessene Flughöhe einer Drohne betrug 723 Meter über dem Startpunkt). Auch wenn es sich dabei vielleicht nur um eine Momentaufnahme handelt, kann man doch feststellen, dass wir mit unseren aktuellen Strukturen der Luftraumplanung überhaupt nicht auf die Bedürfnisse vorbereitet sind, die sich mit der Einführung von Drohnen ergeben. Darüber hinaus haben wir ein offensichtliches Sicherheitsrisiko, das bisher nicht adäquat adressiert wird.

Die Augen weit geschlossen?

Welche Daten liegen uns bisher für Deutschland vor? Offiziell finden sich fast keine Statistiken zu Annäherungen von Drohnen und Flugzeugen. Lediglich die DFS berichtet für das Jahr 2018 von 158 Fällen, in denen Drohen im Umfeld der großen Verkehrsflughäfen gesichtet wurden und den Verkehr beeinträchtigen. Im Jahr 2019 gab es 110 durch die DFS dokumentierte Behinderungen durch Drohnen im Nahbereich eines Flughafens. Weitere 15 Fälle wurden in größeren Höhen bis teilweise über FL250 gemeldet. Doch was ist mit all den Drohnen, die gar nicht erst gesehen werden, die nicht an einen Fluglotsen der DFS gemeldet werden oder für deren Meldungen sich niemand interessiert?

Während das britische UK AIRPROXBOARD jeden Monat ein Dutzend Meldungen zu gefährlichen Annäherungen mit Drohnen verarbeitet und viele von diesen mit der höchsten Risikoklassifizierung A bewertet5, haben wir in Deutschland im gesamten Jahr 2019 keine einzige Meldung in der APEG, dem zuständigen Organ für gefährliche Annäherungen, bewertet. Ist es unter den dargelegten Fakten plausibel, dass es keine Annäherungen mit Drohnen gab oder haben wir sie einfach nur nicht gesehen? Und selbst, wenn sie gesehen wurden, wurden sie dann auch von den Beteiligten gemeldet und haben diese das richtige Formular verwendet? Wenn ja, werden Meldungen an die richtigen Stellen weitergeleitet und dort analysiert?

Quellen

1.Embry-Riddle Aeronautical University – International Journal of Aviation, Aeronautics and Aerospace, Volume 6, Issue 5, Article 12 vom 30.10.2019
2.British Airline Pilots’ Association, Military Aviation Authority, Department of Transport – Small Remotely Piloted Aircraft System (drones) Mid-Air Collision Study aus dem Jahr 2016
3.Eurocontrol - Riga CTR Airspace Assessment vom 29.11.2019
4.DFS-Zahlen zu Drohnen 2018 und 2019
5.UK AIRPROXBOARD
6.https://www.airproxboard.org.uk/Topical-issues-and-themes/Director-UKAB-s-Monthly-Summary/