Mitgliedermagazin der Vereinigung Cockpit

Transponder Mandatory Zone mit Hörbereitschaft – Ausnahmen für’s Militär?

Ein Vorfall mit einem Jet an einem deutschen Regionalflughafen führte zur Überarbeitung von Empfehlungen der Aircraft Proximity Evaluation Group.

15.09.2022 Flight Safety von Stefan Fiedler, AG Air Traffic Services

© NORRIE3699 / Shutterstock

Ein Vorfall mit einem Jet an einem deutschen Regionalflughafen führte zur Überarbeitung von Empfehlungen der Aircraft Proximity Evaluation Group. 

Die Aircraft Proximity Evaluation Group (APEG), in der die VC seit Jahren Mitglied ist, hat vor kurzem zwei Empfehlungen überarbeitet. Was war passiert? Der Vorfall ereignete sich innerhalb Luftraum E in einer Transponder Mandatory Zone (TMZ), die in Deutschland inzwischen grundsätzlich mit einer Hörbereitschaft verbunden ist. Die beteiligten Luftfahrzeuge näherten sich einander auf gegenläufigen Steuerkursen. Der Boeing-Jet sank mit 220kts in Richtung 3000ft und befand sich in einer Linkskurve in Richtung Endanflug. Eine Formation, bestehend aus zwei Eurofightern, befand sich in 3200ft bzw. 3600ft mit etwa 320kts (für militärischen Verkehr gilt die Geschwindigkeitsbegrenzung von 250kts nicht) nördlich der Endanfluglinie und drehte ebenfalls auf einen westlichen Steuerkurs. Die militärische Formation flog nach VFR und war auf der Frequenz des Taktischen Kontrolldienstes der Bundeswehr. Die Boeing befand sich auf der Frequenz von Langen Radar, die prinzipiell auch für die TMZ mit Hörbereitschaft zuständig wäre. Die militärischen Luftfahrzeuge hatten einen Transponder geschaltet, nutzten jedoch die Hörbereitschaft zur Flugverkehrskontrolle nicht.

Auf Empfehlung des Lotsen brach das Verkehrsflugzeug den Anflug ab, sank nur bis 4000ft und drehte nach rechts, worauf sich die Situation entspannte. Dabei meldete die Besatzung zunächst eine Traffic Advisory, etwas später Sichtkontakt zu der Formation und beschrieb die Situation als „Very Close“. Der geringste gemessene Abstand betrug 1,3NM und 700ft.

Hohe Geschwindigkeit, schwer kalkulierbar

In diesem Fall half die TMZ mit Hörbereitschaft nicht, diesen Konflikt zu entschärften. Dazu beigetragen hat unter anderem die sehr hohe Annäherungsgeschwindigkeit. Bei 540 Knoten bewegen sich die Ziele so schnell und gegebenenfalls schwer kalkulierbar, dass dem Radarlotsen nur wenig Zeit zum Erkennen und Reagieren bleibt. Zudem löst das TCAS zeitbasiert aus. Bei 40 Sekunden zum „Closest Point of Approach“ warnt das System vor Traffic (TA) und bei 25 Sekunden wird eine Resolution Advisory (RA) ausgelöst, der unbedingt Folge zu leisten ist.

In diesem Fall verblieb es bei der TA. Bei den angenommenen Geschwindigkeiten wurde diese bei einem lateralen Abstand von immerhin noch 6 NM ausgelöst. Eine RA wäre in diesem Fall bei 3,65 NM ausgelöst worden. Da die zivile Besatzung jedoch den Sinkflug unterbrach und damit den Landeanflug nicht fortsetzte, änderte sich die vertikale Annäherung und die Ausweichempfehlung blieb aus.

Flüge von militärischen Luftfahrzeugen unter Anwendung von Radarleit- oder Radarunterstützungsverfahren des Taktischen Kontrolldienstes verbleiben beim Durchflug auf dessen Frequenz. Die Besatzung habe zu einem Zeitpunkt, als der laterale Abstand noch mehr als 2 NM betrug, Sichtkontakt gemeldet. Dies wäre jedoch bereits nach dem Auslösen einer RA gewesen.


Aus diesem Grund hat die APEG zwei ältere Empfehlungen überarbeitet:

  1. Die APEG weist auf die Einhaltung der TMZ mit verpflichtender Hörbereitschaft hin. Wo entsprechend geregelt, müssen alle Luftfahrzeugbesatzungen beim Einfliegen in eine TMZ mit Hörbereitschaft die Frequenz der zuständigen Flugsicherungskontrollstelle rasten und den erforderlichen Transpondercode schalten.
    Sollte dies angemessen möglich sein, weil sich das Luftfahrzeug beispielsweise unter Kontrolle von FIS, bzw. dem Taktischen Kontrolldienst der Bundeswehr befindet, empfiehlt die APEG den zuständigen Flugsicherungsstellen, frühzeitig Kontakt untereinander herzustellen, um den Verkehr rechtzeitig zu koordinieren. In diesem Zusammenhang empfiehlt die APEG, den Inhalt der NFL 1-2074-20 vom 14. Oktober 2020 zu überarbeiten. (…)
  2. Die APEG empfiehlt Luftfahrzeugbesatzungen, ihren Flugweg nicht durch das Landeanflugsprofil von IFR-Flugplätzen zu planen, die nicht durch Luftraum D oder höherwertig geschützt sind. Dabei sind besonders IFR-Anflugpunkte (final approach fixes) in entsprechenden Verfahrenshöhen zu vermeiden, die sich in der Regel aus der VFR-Karte ergeben.

Weshalb veröffentlichen wir als VC diese APEG-Empfehlungen? Sie betreffen einen Vorfall mit einem Jet der kommerziellen Luftfahrt (B737) im Anflug auf einen Regional-Flughafen in Deutschland. Diese beiden Punkte sollen im Zusammenhang mit den APEG-Empfehlungen zum Nachdenken anregen.

"Always follow an RA!“

Noch immer ist es für uns „gewerbliche“ Pilotinnen und Piloten mit dem von den Fluggesellschaften zur Verfügung gestellten Kartenmaterial recht schwer zu erkennen, in welchen Lufträumen wir uns gerade bewegen. Meistens finden unsere An- und Abflüge an Flughäfen statt, die durch Luftraum D oder höherwertig geschützt sind. Doch in Deutschland ist dies nicht an allen Verkehrsflughäfen der Fall. Selbst wenn man normalerweise nur die internationalen Plätze anfliegt, sind z.B. Dresden, Nürnberg oder Frankfurt Hahn oft als Alternates geplant. An solchen Regionalflughäfen fliegt man in Luftraum E zusammen mit VFR-Verkehr, der nicht zu uns als IFR-Verkehr gestaffelt wird. Als Mitigation gibt es teilweise TMZ mit Hörbereitschaft, in der der VFR-Verkehr einen Transponder eingeschaltet haben und auf einer bestimmten Funkfrequenz (kann die Frequenz des An- und Abfluglotsen sein, muss es aber nicht) hörbereit sein muss. Dadurch soll das An-/Abfluglotsenpersonal oder FIS potenzielle VFR-IFR-Konflikte erkennen und den betroffenen VFR-Verkehr ansprechen können. Dass das nicht immer reibungslos funktioniert, zeigt der beschriebene Fall.

Der zweite Punkt betrifft die Erkennung von in Konflikt stehendem Verkehr. Ein immer wieder gehörter Funkspruch lautet: „We have him on TCAS“. Wirklich? In unserem Fall ist die TA bei 6 NM Entfernung ausgelöst worden und eine RA wäre bei 3,65 NM erfolgt.  Fliegt zu diesem Zeitpunkt ein weiterer Verkehr (womöglich ohne Transpondersignal) in der Nähe, der mit dem Konflikt gar nichts zu tun hat, kann es schnell zu Fehlinterpretationen kommen.

Immer wieder erfahren wir von derartigen Fehleinschätzungen. Eurocontrol hat festgestellt, dass einer erheblichen Anzahl von RAs im europäischen Luftraum NICHT gefolgt wird1 , obwohl eine RA womöglich die letzte Rettung aus einer sehr gefährlichen Situation ist. Dieser Anweisung nicht zu folgen, kann fatale Folgen haben (vgl. Überlingen 2002). TCAS ist wie z.B. GPWS eine Last Line of Defence! Deswegen, auch wenn der in Konflikt stehende Verkehr vermeintlich erkannt wird:

ALWAYS FOLLOW AN RA WITHOUT EXCEPTION!

1 The Assessment of Pilot Compliance with TCAS RAs, TCAS Mode Selection and Serviceability using ATC Radar Data (Eurocontrol, 2022) abrufbar bei https://skybrary.aero/sites/default/files/bookshelf/5842.pdf