Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause fand die 76. Konferenz des Weltpilotenverbandes IFALPA vom 25. bis 29. Mai in Singapur statt. Neben Pandemie- und Kriegsfolgen ging es bei diesem wichtigsten Austausch der Cockpitbesatzungen weltweit erneut auch um Sicherheitsstandards und personelle Weichenstellungen.
Seit jeher ist diese Konferenz für die Abstimmung und den Zusammenhalt der Cockpitbesatzungen auf globaler Ebene sehr wichtig. Die Vereinigung Cockpit (VC) wurde durch Maria-P. Murtha, VC-Vorständin für Internationale Beziehungen, und Johannes Bade, VC-Referent Internationale Beziehungen, als Delegierte vertreten. Darüber hinaus nahmen folgende VC-Mitglieder an der Konferenz teil: Nina Moers, Leiterin der IFALPA Female Pilots' Working Group, Nikolaus Braun, Leiter des IFALPA ADO Committee, David Schöne, Stellvertretender Leiter der IFALPA Safety Management Working Group, Uwe Harter, IFALPA Executive Vice-President Technical & Safety Standards, EVP TSS, und Tanja Harter, ECA Technical Affairs Director.
Während der Konferenz wurden unter anderem die Arbeitsergebnisse der vergangenen Jahre besprochen, beschlossen sowie neue politische Entwicklungen und allgemeine Herausforderungen für Cockpitpersonal und deren Mitgliedsverbände diskutiert und bewertet.
Pandemiefolgen weiterhin spürbar
Bei den Vorträgen der Regional Meetings war klar ersichtlich, dass alle Mitgliedsverbände weiterhin mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen haben.
Afrika & Mittlerer Osten:
In der Region Africa and Middle East (AFI/MID) dominieren vor allem die Themen Vereinigungsfreiheit und Redefreiheit („Freedom of Association/ Freedom of Speech“). Hier haben die Mitgliedsverbände mit grundsätzlichen und existenzbedrohenden Themen zu kämpfen. Airlines scheinen bei dem Cockpitpersonal eine Art Angstkultur etabliert zu haben. Genau aus dieser Furcht vor Repressalien wird kaum berichtet, was konsequenterweise massive Auswirkungen auf die Flight Safety hat.
Karibik und Nordamerika:
In der Region Caribbean and North America (CAR/NAM) war ein riesiges Gefälle ersichtlich: Die Karibik ist sehr hart von Covid getroffen, da sie sehr abhängig vom Tourismus ist. Langsam geht es jedoch bergauf. Auch in Kanada erholt sich der Markt, allerdings etwa sechs bis zwölf Monate langsamer als in den USA, da hier strengere Regeln gelten. In den USA gibt es einen vermeintlichen Mangel an Cockpitpersonal, dies trifft allerdings nur auf die regionalen Airlines zu. Hier herrschen schlechtere Bedingungen und es bedarf weniger Stunden für den ATPL. Diese werden zudem vermehrt als Fluglehrerin oder -lehrer gesammelt. Trotzdem ist eine Anhebung der Altersgrenze von 65 auf 68 Jahre geplant.
Für die VC bei der IFALPA-Konferenz (v.l.n.r.): Uwe Harter, Nikolaus Braun, Tanja Harter, Johannes Bade, David Schöne, Nina Moers, Maria-P. Murtha
Europa:
In Europa gibt es, bedingt durch die Pandemie, ein massives Personalproblem an den Flughäfen. Zusätzlich spüren wir die Folgen des Ukraine-Kriegs. Zudem spielt das Thema Reduced Crew Operation (RCO) eine sehr große Rolle. Die European Union Aviation Safety Agency (EASA) bereitet derzeit die Konzepte Extended Minimum Crew Operations (eMCO) und Single Pilot Operations (SiPO) vor, welche in naher und mittlerer Zukunft umgesetzt werden sollen. Auch das Fit for 55-Paket war dominierendes Thema. Da es hierdurch zu Wettbewerbsnachteilen für europäische Airlines und zur Senkung der europäischen Sozialstandards kommen kann, sollte der europäische Gesetzgeber nach Meinung der IFALPA das Legislativpaket nicht nachbessern.
Südamerika:
Ähnlich wie in der Karibik sind die Folgen der Pandemie in der Region South America (SAM) groß. In Uruguay musste auch der letzte Carrier Insolvenz anmelden. In Argentinien sank die Anzahl der Airlines von acht auf drei, aber ein Trend nach oben ist ersichtlich. Auch in Brasilien ist die Lage sehr volatil. Erfreulich ist, dass in Kolumbien den wegen Streik gekündigten Cockpitbesatzungen vor Gericht Recht zugesprochen wurde.
Asia-Pazifik:
In der Region Asia and Pacific (APAC) ist vor allem Hong Kong von der Pandemie gezeichnet. Dort wird aktuell nur 15 Prozent des Vor-Corona-Niveaus geflogen. Ein Drittel des Cockpitpersonals wurde entlassen, der Rest musste Gehaltskürzungen von ca. 53 Prozent hinnehmen. In Indonesien haben sich die zwei großen Berufsverbände zusammengeschlossen. Diese werden aber leider nicht von den Airlines anerkannt. In Korea gibt es große Sicherheitsprobleme. Hier findet immer noch ein Flight Data Monitoring statt, welches bei vermeintlichen Fehlverhalten bestraft wird. Durch dieses kann keine positive Sicherheitskultur entstehen. Auch in Sri Lanka gibt es massive Sicherheitsprobleme, herbeigeführt durch Differenzen zwischen dem Verband und dem Verkehrsministerium. Der zuständige Verkehrsminister erlaubt explizit das Abweichen von internationalem Standard.
Wiederwahl von VC-Aktiven
Auch dieses Jahr fanden wieder Wahlen statt. Sehr erfreulich für die VC ist die Wiederwahl von Uwe Harter zum IFALPA Executive Vice-President Technical & Safety Standards (EVP TSS) und die Wahl von David Schöne zum Leiter des IFALPA AAP Committee. So hatten gleich mehrere VC‑Aktive die Gelegenheit, die entsprechenden Verantwortlichen bei IFALPA und anderen Verbänden kennenzulernen. Wir versprechen uns davon einen verbesserten Austausch, denn auch hier gilt wie an so vielen Stellen in der Fliegerei: Alle können von allen lernen. Entsprechend bot auch das Rahmenprogramm der Konferenz viele Gelegenheiten, um mit den anderen Aktiven ins Gespräch zu kommen.
"Scroll of Merit" für Oliver Sellmann
Im Rahmen des am Samstagabend stattfindenden Gala-Dinners wurde unser VC-Kollege Oliver Sellmann für seinen Einsatz und seine herausragenden Leistungen im Interesse des Cockpitpersonals mit dem „Scroll of Merit“ Award ausgezeichnet. Seinen Preis nahm Maria-P. Murtha stellvertretend in Empfang. Sellmann hat an außerordentlich vielen Sitzungen teilgenommen, sei es als verantwortlicher Arbeitsgruppenvorsitzender bei der VC oder als IFALPA-Vertreter. In seiner Rolle als Leiter des IFALPA LEG Committee und Leiter der VC-Arbeitsgruppe Legal hat Sellmann mehrere wichtige Initiativen zur Unterstützung des Airline-Personals angestoßen. Eine seiner bemerkenswerten Bemühungen war die Aufklärung der Luftfahrtbehörden über die negativen Auswirkungen auf die Flugsicherheit, die sich aus der strafrechtlichen Verfolgung von Cockpitcrew-Mitgliedern ergeben, die an schweren Flugzeugunfällen beteiligt sind, bei denen es sich um unbeabsichtigtes, menschliches Versagen handelt. Die VC gratuliert recht herzlich zu dieser verdienten Auszeichnung.