Mit jedem Flug unter Kontrolle der Flugsicherung nutzen wir die unterschiedlichsten Dienstleistungen, wie beispielsweise Navigationsanlagen, die Flugverkehrskontrolle durch Lotsen und vieles mehr. Dass für die Inanspruchnahme dieser Leistungen Gebühren anfallen, ist bekannt, die Anbieter müssen sich schließlich finanzieren. Doch wie genau werden diese Gebühren eigentlich berechnet und festgelegt?
In Deutschland gibt es zwei unterschiedliche Flugsicherungsgebühren: Die An- und Abfluggebühr sowie die Streckengebühr. Bei jedem Start, genauer gesagt bei jedem Verlassen der Piste unter Kontrolle einer Flugsicherungsorganisation, wird die An- und Abfluggebühr fällig. Die Höhe dieser Gebühr basiert auf einem Schlüssel aus Maximum Take of Weight (MTOW) sowie einem Gebührensatz:
Gebühr = (MTOW/50)0,7 x Gebührensatz
Für einen A320 mit MTOW 73,5 Tonnen und einem Gebührensatz von 255,94 Euro1 ergibt sich eine An- und Abfluggebühr von 335,28 Euro.
Diese wird nur einmal fällig, nämlich beim Start. Die Landung, ein Low Pass oder das Durchstarten (ohne Berührung der Piste!) sind dann „gratis”. Touch and Gos sind dagegen gebührenpflichtig, es sei denn, es handelt sich um Platzrunden, welche auf dem Flugplan entsprechend ausgewiesen wurden.
Die Streckengebühr errechnet sich ebenfalls aus dem MTOW sowie der Großkreisdistanz zwischen Ein- und Ausflugspunkt der durchflogenen FIRs. Mit dem Gebührenschlüssel
Gebühr = (MTOW/50)0,5 x Flugstrecke in km/100 x Gebührensatz
kommt unser A320 aus dem oberen Beispiel für die Strecke Hamburg - München bei einem Gebührensatz von 72,95 Euro2 auf 491,31 Euro.
Festlegung der Gebührensätze
Doch wie wird der Gebührensatz festgelegt? Bis ca. 2012 wurde das Modell der Vollkostendeckung angewendet. Das bedeutete, dass alle Kosten, welche im laufenden Betrieb entstanden, von den Luftraumnutzern wieder eingefordert wurden. Die Flugsicherungsgebühren deckten also 100 Prozent der angefallenen Kosten ab. Aus der Quote von Kosten zu Flugbewegungen errechnete sich eine verkehrsabhängige Gebühreneinheit (sehr stark vereinfacht in „EUR/km“ oder „EUR/Landung“).
Entwickelte sich der Luftverkehr besser als erwartet, konnten die Gebühren in der nächsten Gebührenrunde gesenkt werden. Wenn nicht, mussten sie zum Leidwesen der Kunden steigen. Die Kosten der Flugsicherung waren jedoch stets voll gedeckt, daher der Begriff „Vollkostendeckung“.
Für die Airlines, die ja im freien Wettbewerb stehen, war dieses Modell natürlich unbefriedigend. Sie fühlten sich aufgrund des fehlenden Kostendrucks auf Seiten der Flugsicherungen einer Art Willkür ausgesetzt, die sie nicht beeinflussen konnten. Daher wurde durch eine Europäische Verordnung im Jahr 2012 für den Überflug und im Jahr 2015 für den An- und Abflug ein neues Modell zur Ermittlung der Flugsicherungsgebühren eingeführt. Seitdem wird eine Verkehrsprognose für einen Fünf-Jahres-Zeitraum, die sogenannte Regulierungsperiode (RP), erstellt. Ausgehend von dieser Prognose werden die Aufwendungen, welche die verschiedenen Flugsicherungsorganisationen zur Abwicklung dieses Verkehrs haben dürfen, berechnet und als Budget festgelegt.
Neues Stufenmodell
Da sich der Luftverkehr aber nicht immer so entwickelt wie prognostiziert, wurde ein Stufenmodell eingeführt. Risiken (Mindereinnahmen durch geringeres Verkehrsaufkommen) und Chancen (Mehreinnahmen durch höheres Verkehrsaufkommen) werden auf Kunden und die Anbieter verteilt. Dies soll Leistungsanreize für die Flugsicherung schaffen. In der Abbildung sind die Staffelungen aufgeführt: Die ersten zwei Prozent Abweichung vom Budget muss das Flugsicherungsunternehmen allein tragen bzw. darf es einen entsprechenden Überschuss behalten. Von zwei bis zehn Prozent liegt der Anteil von Risiko und Chance für die Flugsicherung bei 30 Prozent. Über zehn Prozent werden Mehreinnahmen dann komplett durch niedrigere Gebühren an die Nutzer zurückerstattet oder Mindereinnahmen komplett durch steigende Gebühren für die Fluggesellschaften ausgeglichen. Dieser Ausgleich findet allerdings immer erst zwei Jahre später statt, Gebühren werden also erst mit zwei Jahren Verzögerung angehoben oder gesenkt.
Das bedeutet, dass außerordentliche Abweichungen, wie z.B. ein massiv reduzierter Flugverkehr, mit einer zweijährigen Verzögerung zu einem Großteil von den Fluggesellschaften getragen werden müssen. War da nicht was? Erinnert sich noch jemand an COVID-19? Der massive Verkehrseinbruch im Jahr 2020 hätte sich also in Form von einer sehr hohen Anhebung der Flugsicherungsgebühren im Jahr 2022 niedergeschlagen. Eine weitere EU-Verordnung hat dies aber verhindert, indem der Ausgleich über fünf Jahre (national sind bis zu sieben Jahre möglich) gestreckt wird. Außerdem wurde in dieser Verordnung festgelegt, dass sämtliche Einsparungen der Flugsicherung auf den Anteil des „Carry-overs“, also den Anteil der Fluggesellschaften anzurechnen ist. Im Klartext: Jegliche Einsparungen der Flugsicherung während der Krise kamen ein zu eins den Airlines zugute.
Wie sich dieses Gebührensystem in den nächsten Jahren verändern wird, ist offen. Ein gesamtheitliches europäisches Gebührensystem wäre laut Eurocontrol zwar technisch möglich, in der Realität jedoch nur schwer durchzusetzen. Auch angesichts der Klimaproblematik ist die Frage, inwieweit ein System auf Basis von reinen Verkehrszahlen tragfähig ist.
Quellen
EU-Regulierung: Die Finanzierung von Flugsicherung - Der Flugleiter 3/2021 (PDF)
https://gdf.de/flugleiter/2021/flugleiter_03_2021.pdf?web=1&wdLOR=c8B2905E0-0635-E944-89FF-C61960AE74AA
https://www.dfs.de/homepage/de/flugsicherung/rechtlicher-rahmen/flugsicherungsgebuehren/
Stand 25.01.24
https://www.dfs.de/homepage/de/flugsicherung/rechtlicher-rahmen/flugsicherungsgebuehren/2023-apa-ifr.pdf?cid=hw9
Stand 25.01.24
https://www.flightglobal.com/flight-international/are-plans-to-decarbonise-air-traffic-management-on-the-right-path/153910.article
Stand 25.01.24
Anmerkungen
1 Gültig 2023 auf Flugplätzen unter Kontrolle der DFS
2 Gültig 2023