Mitgliedermagazin der Vereinigung Cockpit

Wetlease – Wo sind die Grenzen?

Atypische Beschäftigung gewinnt wieder an Fahrt

12.04.2024 Tarif von Lars Frontini, Vorstand Vereinigung Cockpit

© dushlik / freepik.com

Wir alle kennen die Whitetails, die vielleicht noch einen halbherzigen Aufkleber verpasst bekommen haben, damit der Kunde zumindest lesen kann, für wen das Flugzeug unterwegs sein soll. Zuweilen sind die Geschäftsbeziehungen aber auch auf so lange Zeit angelegt, dass nur noch das „Operated by“ erkennen lässt, dass es sich nicht um das Original handelt.

Ob die Kunden mit dem Produkt Flug dann noch zufrieden sind, braucht uns hier nicht weiter beschäftigen, auch wenn dies definitiv eine interessante Fragestellung ist. Als Gewerkschaft interessiert uns aber schon, welche Auswirkungen dies auf die Tarif- und Arbeitsbedingungen hat. Schließlich wird die gleiche Dienstleistung angeboten, die auch wir mit unseren Tarifverträgen zu fairen Bedingungen ermöglichen.

Viele Airlines scheinen unseren Anspruch an ausgewogene Arbeitsbedingungen nicht zu teilen und würden zu gerne die Kosten - koste es, was es wolle – immer weiter reduzieren. Anders lässt sich nicht erklären, warum einige ständig neue AOCs eröffnen, die wir dann wieder mühevoll tarifieren müssen, oder aber eben direkt die Produktion auslagern und von einem Subunternehmen erbringen lassen. Wenn dies allerdings günstiger sein soll, obwohl ein weiteres Unternehmen mit daran verdienen soll, dann wird klar, woher das Geld kommen muss: Von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern!

Damit nicht auf den ersten Blick erkennbar wird, dass hier gespart wird, bieten sich atypische Beschäftigungsverhältnisse an, die alle im Unklaren lassen:

"Es gibt Konstrukte, in denen Flüge von und nach Norwegen von einer temporären Basis in Stockholm von einer polnischen Crew mit einem Dienstvertrag aus den Vereinigten Arabischen Emiraten auf Flugzeugen in einem maltesischen AOC durchgeführt werden, die zu einer lettischen Fluggesellschaft gehören."

Ihr konntet nicht folgen?

Genau so wenig wie zurzeit die Behörden, so scheint es. Denn wer überprüft denn jetzt die Einhaltung der Arbeitsbedingungen und welche überhaupt?

Selbst ein Blick in die Verordnung (EU) Nr. 965/2012, die unter anderem eine Definition zur Homebase enthält (vgl. ORO.FTL.105 Nr. 14), oder die sog. Entsenderichtlinie 96/71/EG (geändert durch die Richtlinie (EU) 2018/957) helfen nur bedingt weiter und geben für sich genommen nicht zwangsläufig Klarheit über das anzuwendende Recht. Dementsprechend schwierig ist es zuweilen auch für uns zu wissen, mit wem wir Tarifverträge abschließen sollen, bzw. welche Gewerkschaft zuständig ist. Damit halten atypische Beschäftigungsverhältnisse wieder Einzug in Deutschland und ganz Europa. Darauf weisen wir nun schon seit zwei Jahren hin.

Insofern freuen wir uns, dass die Europäischen Arbeitsbehörde (ELA) sich dieser Thematik angenommen hat und nun mit Hilfe der nationalen Behörden eine Bestandsaufnahme machen möchte, den Informationsaustausch zwischen den Ländern verbessern und auch das Personal auf die Besonderheiten im Luftverkehr hinweisen und schulen möchte. Dies ist dringend notwendig, aber auch nur ein erster Schritt.

Letztlich brauchen wir klare Regeln, die für alle europäischen AOCs gelten. Jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin sollte genau wissen, welche Gesetze und Regeln gelten. Dabei gilt es, einheitliche und nachvollziehbare Regelungen für die operational Base, wie bereits von der ECA für die Überarbeitung der Verordnung (EU) Nr. 1008/2008 vorgeschlagen, zu finden. Denn sicherlich ist eine Übernachtung im Ausland nicht direkt eine neue operational Base, die dann zu einer Veränderung des anwendbaren Rechtes führt. Wenn allerdings regelmäßig die Dienste in Norwegen statt an der Homebase Stockholm beginnen und enden, dann entbehrt es nicht einer gewissen Logik, dass norwegisches statt schwedischem Recht zur Anwendung kommen sollte.

Vielleicht sogar dann, wenn den Angestellten die Anwendung des Rechtes des eigenen Herkunftslandes bzw. Wohnsitzes lieber wäre. Nach unserer Beobachtung führt der Status Quo jedenfalls zu einer Unterwanderung des Rechtes des Landes, in dem das Geschäft stattfindet.

Gleiches gilt in meinen Augen auch für die Anwendung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen. Gibt es bereits welche mit dem eigentlichen Auftraggeber der Flüge, so sollten diese auch automatisch auf die Besatzungen des ausführenden Flugbetriebes angewendet werden. Dabei muss der Auftraggeber keine Airline sein. Es kann auch ein Reiseveranstalter oder der gleiche Investor sein, der die Flüge in Auftrag gibt. Alles andere bedeutet Tarifflucht.

Da wir aber noch nicht so weit sind, floriert der Markt für Wetleases noch immer, wie auch jetzt wieder auf der Pilot Expo in Berlin zu beobachten. Neben etlichen Flugschulen und bekannten Airlines, waren ebenso zahlreich bekannte Wetlease-Geber wie beispielsweise AvionExpress, Buzz, Heston Airlines, Lauda, Nordica oder SmartLynx vertreten. Da wir alle auf eine Arbeit und eine gültige Lizenz angewiesen sind, gerade wenn die teure Ausbildung noch abzuzahlen ist, ist es kaum verwunderlich, dass diese noch immer genügend Personal finden. Zum „attraktivem Gehalt“ kommt ja auch noch die „Flex-Base“ hinzu, zu der man auf Kosten der Airline aus ganz Europa anreisen darf.

Als Arbeitnehmer würde auch ich fast jedes Angebot annehmen, da die Rechnungen ja irgendwie bezahlt werden müssen. Umso mehr brauchen wir kollektive Regeln für die Beschäftigten, die im selbem europäischen Markt gelten, den die Unternehmen frei für sich nutzen können. Alles andere - und das gilt für den jetzigen Zustand leider in hohem Maße - ist Wettbewerbsverzerrung.

Daher werden wir uns weiter mit unseren Partnern dbb, ECA, E4FC und IFALPA für faire Arbeitsbedingungen sowie einheitliche und klare Regeln auf nationaler und internationaler Ebene einsetzen. Denn während für die Airlines grenzenlose Freiheit zu gelten scheint, gelten für die Arbeitsbedingungen noch immer die nationalen Grenzen. Dieses Ungleichgewicht gilt es aufzulösen und Grenzen für alle gleich zu setzen.