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Wet-Lease-Vereinbarung führt im Regelfall nicht zu einem Betriebsübergang

BAG: Die Durchführung einer Wet-Lease-Vereinbarung führt im Regelfall nicht zu einem Betriebsübergang auf den Leasingnehmer

18.09.2023 von Rechtsabteilung Vereinigung Cockpit

© Andrew Buckin / Shutterstock

  1. Die Durchführung einer Wet-Lease-Vereinbarung führt im Regelfall nicht zu einem Betriebsübergang auf den Leasingnehmer. (amtl. Leitsatz)
  2. Beim sog. Wet Lease stellt der Leasinggeber einer Fluggesellschaft als Leasingnehmerin Flugzeuge einschließlich Besatzung, Wartung und Versicherung zur Verfügung. Hierbei handelt es sich im Regelfall nicht um einen Betriebsübergang i.S.v. § 613a BGB. Das Wet-Lease-Geschäft kann zwar beim Leasinggeber einen Betrieb bilden. Bei dessen Durchführung findet aber kein Inhaberwechsel statt. Der Leasinggeber stellt durch die Überlassung von Flugzeugen und Personal seine wirtschaftliche Tätigkeit nicht ein, sondern übt sie aus. Dem steht nicht entgegen, dass unter Umständen Flugstrecken der Leasingnehmerin bedient werden und das eingesetzte Personal ebenso wie die Flugzeuge dem Marktauftritt der Leasingnehmerin entsprechen. Dies soll durch die Wet-Lease-Konstruktion gerade ermöglicht werden. 
  3. Die Gründung eines Gemeinschaftsbetriebs stellt keinen Betriebsübergang dar.
  4. Mangels weisungsgebundener Eingliederung der Piloten in die Arbeitsorganisation der Leasingnehmerin lag im vorliegenden Fall keine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vor. (Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG)
     

BAG, Urteil vom 11.05.2023 - 6 AZR 121/22 (LAG Düsseldorf)

Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von dem Beklagten zu 1. erklärten Kündigung sowie über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2. Hilfsweise begehrt der Kläger einen Nachteilsausgleich.

Der Beklagte zu 1. war Insolvenzverwalter über das Vermögen der Luftfahrtgesellschafter Walter mbH (im Folgenden: Schuldnerin). Bei der Beklagten zu 2. handelte es sich ebenso um eine Fluggesellschaft. Die von der Schuldnerin eingesetzten Flugzeuge waren geleast (sog. Dry Lease). Die Schuldnerin stellte der Beklagten zu 2. diese Flugzeuge samt Besatzung, Wartung und Versicherung zur Verfügung (sog. Wet Lease). Die Schuldnerin und die Beklagte zu 2. schlossen dafür einen Leasing-Rahmenvertrag. Die von der Beklagten zu 2. hierfür geleistete Zahlungen waren die einzigen Einnahmen der Schuldnerin. Für die Planung, Koordinierung und Kontrolle der Arbeitseinsätze betraute die Schuldnerin die Eurowings Aviation GmbH (EWA). Die Schuldnerin beschäftigte insgesamt 348 Arbeitnehmer. Im April 2020 beendeten die Schuldnerin und die Beklagte zu 2. einvernehmlich den Leasingvertrag. Die Schuldnerin gab daraufhin die letzten ihrer Flugzeuge an die Dry-Lease-Geber zurück. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin wurde der Beklagte zu 1. zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit dem am 30.7.2020 zugegangenen Schreiben kündigte der Beklagte zu 1. das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.10.2020. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und beantragte die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten zu 2. Das ArbG und das LAG wiesen die Klage ab.

Entscheidung:

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Das BAG entschied nur über die Klage gegen die Beklagte zu 2. Im Übrigen hat es das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH hinsichtlich der Massenentlastungsanzeige ausgesetzt.

Nach Ansicht des BAG sei das ursprünglich mit der Schuldnerin begründete Arbeitsverhältnis zu keinem Zeitpunkt auf die Beklagte zu 2. übergegangen. Es liege kein Betriebsübergang i.S.d. § 613a I 1 BGB vor, da es an einem Inhaberwechsel fehle. Für die Schuldnerin stelle das Wet Lease zur Beklagten zu 2. einen Betrieb i.S.d. § 613a I 1 BGB dar. Dies sei das einzige Geschäftsmodell der Schuldnerin gewesen. Die Schuldnerin habe mit der Erfüllung ihrer Verpflichtung gegenüber der Beklagtem zu 2. ihre wirtschaftliche Betätigung (Wet Lease) nicht eingestellt, sondern weiter ausgeübt. Es sei damit nicht zu einem Inhaberwechsel gekommen. Das BAG ließ die Frage der Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs während der Durchführung des Wet Lease dahinstehen, da die Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs mangels Inhaberwechsels auch nicht zu einem Betriebsübergang führe. Ein Betriebsübergang habe ebenso bei Beendigung des Leasingsvertrags im April 2020 nicht vorgelegen, da es an einer Fortführung des Wet-Leasings-Modells seitens der Beklagten zu 2) fehle. Die Durchführung des Wet Lease stelle keine Umgehung von § 613a I BGB dar. Vielmehr sei das Wet Lease eine unionsrechtlich anerkannte Gestaltungsmöglichkeit i.S.d. Art. 13 I VO (EG) Nr. 1008/2008.

Darüber hinaus liege seitens der Beklagten zu 2. keine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vor. Der Kläger sei gegenüber der Beklagten zu 2. nicht weisungsabhängig gewesen. Die EWA sei die alleinige Vertragspartnerin der Schuldnerin gewesen und nicht als Vertreterin der Beklagten zu 2. aufgetreten.