Mitgliedermagazin der Vereinigung Cockpit

VC Flughafencheck 2023

Rollwege, Umweltschutz & mehr: Aktuelle Entwicklungen an deutschen Flughäfen

19.07.2023

© Thiago B Trevisan / Shutterstock

Der VC-Flughafencheck geht in die nächste Runde. Wie jedes Jahr werfen wir hierbei sowohl einen Blick zurück als auch nach vorne. 

Beim Blick in die Vergangenheit stellen wir fest, dass die vergangenen Jahre stark von der Corona-Pandemie geprägt waren. So mussten die deutschen Flughäfen zunächst mit einem massiven Einbruch der Nachfrage und dann mit einem Kaltstart zur Volllast zurechtkommen. Für das Jahr 2023 war eine weitgehende Normalisierung zu erwarten, was das Verkehrsgeschehen angeht. Es lässt sich darüber streiten, inwieweit die starke Erholung der Nachfrage nach der Pandemie und die nun - unter anderem in Folge des russischen Angriffskrieges - aufgekommene Inflation sowie die daraus resultierenden Forderungen um Lohnerhöhung vorhersehbar waren. Sicher bleibt, dass nichts so stetig ist wie der Wandel - vor allem in der Luftfahrt. 

Was uns als Arbeitsgruppe Airport Ground Environment (AGE) der Vereinigung Cockpit angeht, sehen wir trotz aller Herausforderungen in Bezug auf die Sicherheit an den deutschen Flughäfen einen steten Wandel zum Besseren. So scheint uns das Safety Management System (SMS) der meisten Flughäfen widerstandsfähig gegenüber den oben genannten Themen zu sein. Wir konnten generell beobachten, dass das technische Sicherheitsniveau konstant hoch bleibt und stetig verbessert wird. Auch in der Kommunikation mit uns als Berufsverband freuen wir uns über eine verstärkte Einbindung in Sicherheitsfragen bei zahlreichen Flughäfen. Besonders hervorzuheben sind hier im vergangenen Jahr die Flughäfen Köln-Bonn, Stuttgart, München und Kassel-Calden. Es bleibt zu hoffen, dass eine gelebte Just-Culture Arbeitsfehler auffängt und wir trotz der enormen Arbeitsbelastung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Luftfahrt keinen Einbruch in der Sicherheit erleben.

 

© Vereinigung Cockpit Alle Ergebnis im Detail findet Ihr auf der Flughafencheck-Website: http://www.vc-flughafencheck.de/

Umstellung auf Safety-Issues

Im Jahr 2022 haben wir die Bewertung des Flughafenchecks auf Safety-Issues umgestellt. Von nun an beobachten wir die Issues Runway Incursion, Excursion und Taxi Occurences. Wir haben hierzu durchweg positive Rückmeldungen bekommen und möchten daher an diesem System festhalten. Auch war darin bereits die Bewertung der Benennung der Rollwege (Taxiway Naming) angelegt. Damit die Änderungen nicht zu viel werden, wurde die Einführung der Bewertung des Taxiway Namings auf das Jahr 2023 gelegt. 

Bewertung der Rollwege

Dem sind wir nachgekommen und bewerten nun, inwieweit die Rollwege auf den deutschen Flughäfen den Vorgaben der internationalen Luftfahrtorganisation (ICAO) bzw. den Empfehlungen der Europäischen Luftfahrtbehörde (EASA) entsprechen. Uns ist bewusst, dass sich über Nacht kaum die Rollwege auf den teils mehr als 100 Jahre alten deutschen Flughäfen den recht neuen Regularien anpassen lassen. Daher betrachten wir zunächst nur den kritischsten Bereich und bewerten lediglich die Rollwege, die auf eine oder von einer Runway führen. Wichtig ist hier für uns zunächst eine konsekutive Benennung der Rollwege in Landerichtung (z.B. E, D, C, B, A). Dies hilft Pilotinnen und Piloten dabei abzuschätzen, wie weit ihre Ausfahrt nach der Landung noch entfernt ist. Sind die Rollwege nicht logisch nummeriert (B, A, D, E, C, B) könnten Cockpitcrews - überrascht von ihrer Ausfahrt - versuchen, die Landebahn noch schnell zu verlassen und, wie schon häufig geschehen, neben der Landebahn zum Stillstand kommen. Da sich das Alphabet rückwärts schwieriger aufsagen lässt als vorwärts, wäre es wünschenswert, wenn die die Benennung in Hauptlanderichtung erfolgt (A, B, C, D, E). Hauptlanderichtung ist in Mitteleuropa auf Grund der zu 70 Prozent vorherrschenden Westwinde nach Westen. Noch schöner wäre es, wenn die Aufrollwege alpha-numerisch benannt sind (A1, A2, A3, A4). So wissen Cockpitbesatzungen stets, dass eine Runway in der Nähe ist, wenn sie sich auf einem alpha-numerischen Rollweg befinden. Dies ist ein weiteres Mittel, um folgenschwere Runway Incursions zu vermeiden. Umgekehrt wissen Pilotinnen und Piloten, dass wenn sie sich auf C oder A3 befinden, sie wahrscheinlich nicht die volle Startbahn zur Verfügung haben.

München vorn, gefolgt von Leipzig und Stuttgart

Doch nun zu den Ergebnissen. An der Spitze gab es wenig Bewegung. München bleibt auf Platz 1. Dicht darauf folgt Leipzig auf Platz 2 vor Stuttgart auf Platz 3. Danach folgen Bremen, Erfurt Kassel-Calden und Köln-Bonn als “Sehr gute” Flughäfen. Am anderen Ende der Skala gab es mehr Bewegung. 

Leider gab es sonst keine baulichen Verbesserungen an den deutschen Flughäfen im vergangenen Jahr, die in die Benotung eingeflossen wären. Die Betrachtung des oben erwähnten Taxiway Namings hat hauptsächlich im Mittelfeld für Verschiebungen gesorgt. Dies liegt insbesondere daran, dass die allermeisten Flughäfen auf Grund von baulichen Altlasten hier mit einer eher mittelmäßigen Note abschneiden. Dennoch konnte zum Beispiel Frankfurt-Hahn durch eine konsekutive Benennung der Rollwege Münster-Osnabrück überholen. Besonders positiv ist der Flughafen Düsseldorf hervorzuheben, der auf beiden Bahnen eine vorbildliche, logische, alpha-numerische Benennung vorgenommen hat. Berlin, Frankfurt, Hamburg, Leipzig und München haben hier gut abgeschnitten. Sie folgen zwar der ICAO-Vorgabe für eine logische, alpha-numerische Benennung, haben diese allerdings nicht in Hauptlanderichtung orientiert. Für Frankfurt reicht es nicht zu einer 1, da es sehr große Lücken in der Zahlenfolge den Cockpitcrews schwer machen, die richtige Ausfahrt zu finden (z.B. P14 - P16 – P20 – P24). Die fehlende Logik in Heringsdorf, Memmingen, Münster und Rostock (z.B. C/D - B – E – B/D - A) erschwert es den Flugzeugführenden noch weiter.

Local Runway Safety-Teams auch künftig im Fokus

Wie geht es nun weiter? Wir würden uns wie jedes Jahr über eine bessere Kommunikation mit denjenigen Flughäfen freuen, die uns nicht zu Local Runway Safety-Team Meetings einladen. Hier werden im vertraulichen Rahmen z.B. Vorfälle oder geplante bauliche Änderungen besprochen. Je mehr Teilnehmer, desto effektiver sind diese Teams. Oft sind es die ohnehin schon sehr guten Flughäfen, welche Vorfälle mit allen Steakholden am Flughafen zusammen besprechen. Dort erleben wir immer wieder, wie eine positive Unternehmenskultur, bei der wir Pilotinnen und Piloten mit ins Boot genommen werden, die Sicherheit merklich erhöht. So freuen wir uns über jeden weiteren Flughafen, der dem Bespiel vieler deutschen Flughäfen folgt und den Kontakt zu uns sucht. 

Das Thema Runway Incursion wird gerade von der EASA, unter anderen zusammen mit der VC, neu beleuchtet. Es befindet sich ein Global Action-Plan für Runway Incursion Prevention in Arbeit. Wir sind auf die Ergebnisse und Empfehlung im Jahr 2024 gespannt und werden diese sicherlich in den neuen Flughafencheck einfließen lassen. 

Weitere Informationen

Alle Ergebnisse im Detail findet Ihr auf der Flughafencheck-Website.

 

Greenbox
Im Allgemeinen fällt es der Luftfahrt schwer, zeitnahe große CO2-Einsparungen zu erreichen, da technische Neuerungen teuer sind und langwierigen Genehmigungsverfahren unterliegen. Umso mehr freut es uns, dass zum Beispiel der Flughafen Frankfurt die Anflugbefeuerung der Runway 25L auf energiesparende LED umgestellt hat und dieses Jahr auch noch die 25C eine LED-Befeuerung erhalten soll. Ebenso stellen die Flughäfen Memmingen und Münster-Osnabrück auf LED-Beleuchtung um. Der benötigte Strom wird von den Flughäfen vermehrt selbst produziert. Da die Flughäfen über viele Frei- und große Dachflächen verfügen, werden hier löblicherweise vermehrt Photovoltaikanlagen errichtet, wie an den Flughäfen Frankfurt, Erfurt, Münster-Osnabrück und Stuttgart. Besonders hervorzuheben ist hierbei der Flughafen Hannover, der auf einem Testfeld sowohl die verschiedenen Bauweisen vergleicht als auch die Einflüsse der Anlagen auf Flora und Fauna am Flughafen erforscht. Auch der Flughafen Hamburg hat in den vergangenen Jahren seine Fahrzeugflotte auf alternative Antriebe und Kraftstoffe umgestellt und durch weitere Einsparungen und Optimierungen der Infrastruktur den CO2-Ausstoß um 80 Prozent reduziert und kompensiert die verbleibende Menge. Neben der Infrastruktur am Boden soll am Flughafen Stuttgart in einem Forschungszentrum für Wasserstoffflugzeuge auch das klimafreundlichere Fliegen der Zukunft weiterentwickelt werden. Erfreulicherweise kann man insgesamt feststellen, dass die Flughäfen das Thema Klima- und Umweltschutz verstärkt in den Fokus nehmen.