Mitgliedermagazin der Vereinigung Cockpit

Reduced Crew Operations (RCO) - A Risk Not Worth Taking!

Folge 2: Alleine im Cockpit – was geht verloren und wo bleibt die Teamleistung?

08.09.2023 Gastbeitrag von Tobias Radke, Austrian Cockpit Association (ACA)

In der ersten Ausgabe der Serie zum Thema Reduced Crew Operation (RCO) haben wir uns mit den verschiedenen möglichen Formen einer RCO beschäftigt: Diese umfassen eMCO, SiPo und das Konzept eines Remote Pilot Monitoring. Die aktuellen Zertifizierungsvorhaben der Hersteller bzw. OEMs, u.a. Airbus im Rahmen eines modifizierten A350 Modells, beinhalten bisher ein eMCO Cockpit, wodurch im Reiseflug nur noch ein Pilot oder eine Pilotin das Flugzeug steuern soll. Aktuell argumentiert die Industrie noch damit, dass mittels eMCO eine vermeintlich bessere Rest für das ruhende Besatzungsmitglied zu erreichen wäre. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass eMCO in Zukunft eine schleichende Entwicklung in Richtung einer gänzlichen Single Pilot Operation (SiPO) in Gang setzen oder zumindest noch längere Flugdienstzeiten ermöglichen soll.

Abseits der offensichtlichen Fragestellungen wie etwa einer fehlenden Redundanz, Pilot Fatigue und komplexer Procedures, welche nur von zwei Piloten oder Pilotinnen abgearbeitet werden können, stellen sich im Bereich RCO noch andere Probleme dar: wie verändert sich unser Beruf, wenn wir im Reiseflug lange Zeit alleine im Cockpit verbringen und noch mehr auf Automatisierung angewiesen sind?

 

© ACA

Competency Path for Command

Beim Gedanken an die eigenen ersten Berufsjahre im Cockpit eines Verkehrsflugzeugs wird sich jede Pilotin und jeder Pilot erinnern können: Man kommt frisch aus der Flugschule, absolviert ein Type Rating samt Line Training und ist nach seinem letzten Line Check ein vollwertig einsetzbares Cockpit-Crewmember. Neben den Fähigkeiten, die man bis hierher erlernt hat, fehlt aber noch eine wesentliche Komponente für die tägliche Line Operation: Erfahrung. 

Im Laufe der darauffolgenden Berufsjahre sammeln junge Copilotinnen und Copiloten Erfahrung auch dadurch, dass sie mit unterschiedlichen Kapitänen fliegen. Der auf diese Weise stattfindende Wissenstransfer ist essentiell, um im späteren Verlauf der Karriere selbst als verantwortlicher Flugzeugführer auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen können. 

Völlig offen ist jedoch, wie ein solcher – für uns selbstverständlicher Grundsatz – im Rahmen einer eMCO funktionieren soll: da nur ein Pilot im Cockpit anwesend ist, kann kein Erfahrungsaustausch zwischen zwei Crewmitgliedern stattfinden. Es ist nach unserem heutigen Verständnis von einem erfahrenen Piloten oder einer erfahrenen Pilotin daher nur schwer nachvollziehbar, wie ein First Officer Erfahrung für seine zukünftige Rolle als Commander sammeln soll.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Qualifikation ein Copilot für eine eMCO mitbringen muss. Da einem First Officer im Reiseflug u.a. die alleinige Verantwortung über das Flugzeug übertragen wird, muss dieser im Besitz eines ATPLs sein und über eine ausreichende Mindesterfahrung verfügen, wie sie etwa für Cruise Relief PICs bzw. SFOs bei den meisten Airlines vorgesehen ist. Dies schränkt den Kreis der für eMCO einsetzbaren Copilot und Copilotinnen mitunter stark ein.

Crew Ressource Management (CRM)

Seit seiner Einführung hat Crew Ressource Management (CRM) maßgeblich zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Cockpit und damit der Flugsicherheit beigetragen. CRM ist als Konzept, das die ganze Crew mit einbindet, aus modernen Flugbetrieben nicht mehr wegzudenken. CRM würde durch eine eMCO jedoch deutlich erschwert werden, alleine schon aus dem Grund, dass eine wichtige „Ressource“ des jeweils fliegenden Crewmitglieds für einen Großteil des Fluges im Cockpit physisch nicht anwesend ist.

CRM als Konzept, wie wir es heute kennen, müsste neu entwickelt werden und die Einführung einer eMCO würde Techniken und bewährte Abläufe, die über Jahrzehnte mit viel Sorgfalt verfeinert wurden, in Frage stellen.

Redundancy II und Synergien eines Multi Crew Cockpits

Einerseits machen Menschen Fehler, andererseits können sie diese zu zweit auch erkennen und korrigieren. In diesem Zusammenhang ist vor allem das Prinzip eines Cross-Checks für uns als Piloten und Pilotinnen essentiell, da wir als 'monitoring pilot' während des gesamten Flugverlaufs die Handlungen unserer Kollegen überprüfen. Diese Redundanz entfällt bei einer eMCO, da sich nur ein Pilot im Cockpit befindet. Weiterhin ist eine effektiv kooperierende Cockpit Crew bestehend aus mindestens zwei Piloten in der Lage, Synergien zu bilden und Lösungsansätze hervorzubringen, welche die Leistung der einzelnen Crew Mitglieder kombiniert übersteigen.

Procedure Design

Standard Operating Procedures müssten für eine eMCO grundliegend neu entwickelt werden. Mittels Cross-Checks, ineinandergreifender Flows, koordinierter Abläufe und Checklisten wird heutzutage gewährleistet, dass kritische Handlungen für eine sichere Flugdurchführung zur Gänze und korrekt ausgeführt werden. Die Verantwortung für die korrekte Durchführung aller „items“ wird hierbei zwischen beiden Pilot oder Pilotinnen aufgeteilt. eMCO würde ein Ende dieser bewährten Methodik in unseren Cockpits bedeuten

Increased Use of Automation

Eine eMCO würde noch stärker als eine bisherige Operation auf Automatisierung im Cockpit setzen, da das Flugzeug auch im Falle einer Incapacitation oder eines Toilettengangs des im Cockpit verbliebenen Besatzungsmitglieds seinem Flugweg weiter sicher folgen muss. Auch wenn wir bereits heute im Reiseflug vorwiegend den Autopiloten nutzen, so sind wir uns trotzdem bewusst, dass die Cockpitbesatzung jederzeit in der Lage sein muss, in die Flugzeugsteuerung einzugreifen. Beispiele hierfür sind eine Overspeed Recovery oder ein Upset, der auch in großen Höhen regelmäßig im Simulator trainiert wird. Ein für eMCO zertifiziertes Flugzeug würde Piloten und Pilotinnen absehbar noch weniger in die aktive Steuerung des Flugweges einbinden, was dazu führen könnte, dass der im Cockpit verbliebene Single Pilot im Falle eines Systemausfalls mit dem manuellen Fliegen überfordert ist. Dies könnte z.B. im Falle einer starken Turbulenz auftreten, die den Autopiloten deaktiviert.

Die FAA sieht eine exzessive Nutzung von Flight Guidance und Autopilot Systemen bereits heute kritisch. In ihrem Advisory Circular 120-123 forderte die US-amerikanische Luftfahrtbehörde Operator im vergangenen Jahr sogar dazu auf, Piloten und Pilotinnen zu Trainingszwecken regelmäßig die Möglichkeit zu bieten, einen Teil des Fluges manuell zu fliegen. 

Es ist damit zu rechnen, dass ein eMCO zertifiziertes Cockpit mit noch mehr Automatisierungstechnik ausgestattet ist, was einen potentiell negativen Effekt auf die „Manual Flying Skills“ von Piloten haben kann.

Wie gehen ECA und IFALPA beim Thema RCO weiter vor?

Am 4. Mai 2023 präsentierte die IFALPA auf ihrer 77. Jahreskonferenz gemeinsam mit ALPA International und ECA die globale Strategie der Pilotenverbände, um gegen die Entwicklungen im Bereich RCO vorzugehen. Das Vorgehen beinhaltet eine Kampagne auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene in den jeweiligen Mitgliedsstaaten.