Am 24. Juni 2024 jährt sich die Berliner Luftbrücke zum 75. Mal. Diese historische Luftoperation, die von 1948 bis 1949 dauerte, symbolisiert die Entschlossenheit und Solidarität der westlichen Alliierten im Angesicht der sowjetischen Blockade Berlins. Die Luftbrücke sicherte in einem Zeitraum von rund 11 Monaten das Überleben von rund 2,5 Millionen Menschen in West-Berlin, indem sie lebenswichtige Güter wie Lebensmittel, Kohle und Medikamente per Flugzeug in die belagerte Stadt transportierte. Zwei zentrale Knotenpunkte dieser beispiellosen humanitären Aktion waren auf westdeutscher Seite der Rhein-Main-Flughafen Frankfurt und die Wiesbaden Airbase. Weitere Ausgangspunkte der Luftbrücke waren die niedersächsischen Flugplätze Bückeburg, Celle und Faßberg sowie Hamburg und Lübeck im Norden Deutschlands.
Operation Vittles
Der Rhein-Main-Flughafen Frankfurt
Die Rhein-Main-Airbase in Frankfurt (ehem. ICAO Code EDAF), heute bekannt als Flughafen Frankfurt (EDDF), spielte eine entscheidende Rolle bei der Berliner Luftbrücke. Als einer der größten und modernsten Flughäfen Europas bot er die notwendige Infrastruktur und Kapazität, um die massiven Mengen an Fracht zu bewältigen. Täglich starteten und landeten hier unzählige Flugzeuge, die mit Vorräten beladen waren, um die Bevölkerung in West-Berlin zu versorgen. Anfangs ging man von nur 750 Tonnen Fracht pro Tag aus. Zu Spitzenzeiten waren es jedoch 12.849 Tonnen - bei 1398 Flügen in 24 Stunden.
Die logistische Effizienz des Frankfurter Flughafens war maßgeblich für den Erfolg der Operation verantwortlich.
Die Wiesbaden Airbase
Die Wiesbaden Airbase, heute bekannt als Clay Kaserne, oder Wiesbaden Army Airfield (ICAO Code ETOU), war ein weiterer wichtiger Stützpunkt während der Luftbrücke. Von hier aus koordinierten die US-Luftstreitkräfte zahlreiche Versorgungsflüge nach Berlin. Die Nähe zur Frankfurter Airbase ermöglichte eine enge Zusammenarbeit und schnelle Reaktionszeiten. Die Stadt Wiesbaden war zudem Standort des Hauptquartiers für die Planung und Durchführung der Luftbrücke (Taunusstrasse 11), was zusammen mit der Airbase ihre strategische Bedeutung unterstrich.
Douglas C-47 und C-54 – die zwei „Stars“ der Luftbrücke
Die Douglas C-47 "Skytrain" und die C-54 "Skymaster" waren die tragenden Säulen der Berliner Luftbrücke. Beide Flugzeugtypen spielten eine entscheidende Rolle bei der Versorgung der eingeschlossenen Stadt und sind bis heute Symbole für die menschliche Solidarität und Entschlossenheit sowie die großen technischen Herausforderungen, die diese historische Operation prägten.
Douglas C-47 "Skytrain"
Die C-47 "Skytrain", auch bekannt als "Dakota", war das Arbeitspferd der Luftbrücke. Ursprünglich für militärische Transporte entwickelt, absolvierte die C-47 ihren Erstflug im Jahr 1941. Mit einer Länge von 19,43 Metern und einer Spannweite von 29,11 Metern konnte sie bis zu 28 Passagiere oder 3.400 Kilogramm Fracht transportieren. Angetrieben von zwei Pratt & Whitney R-1830-92 Twin Wasp Sternmotoren, erreichte sie eine Höchstgeschwindigkeit von 360 km/h und eine Reichweite von 2.575 Kilometern. Ihre Robustheit und Vielseitigkeit machten die C-47 in der frühen Phase der Luftbrücke unverzichtbar, da sie zahlreiche Versorgungsflüge durchführte und lebenswichtige Güter nach Berlin brachte.
Douglas C-54 "Skymaster"
Die C-54 "Skymaster" übernahm im Verlauf der Luftbrücke zunehmend die Hauptrolle bei den Versorgungsflügen. Sie absolvierte ihren Erstflug im Jahr 1942 und bot im Vergleich zur C-47 eine größere Ladekapazität und längere Reichweite. Mit einer Länge von 28,6 Metern und einer Spannweite von 35,8 Metern konnte die C-54 bis zu 50 Passagiere oder 9.000 Kilogramm Fracht befördern. Angetrieben von vier Pratt & Whitney R-2000-9 Twin Wasp Sternmotoren, erreichte sie eine Höchstgeschwindigkeit von 450 km/h und eine Reichweite von 6.400 Kilometern. Die größere Kapazität der C-54 ermöglichte einen effizienteren Flugbetrieb mit höherer Tonnage, was entscheidend zum Erfolg der Luftbrücke beitrug. Die Skymaster wurde besonders durch den amerikanischen Luftbrücken-Piloten Gail Halvorsen bekannt, dessen weiter unten beschriebene humanitäre Taten dem Flugzeugtyp den Spitznamen „Rosinenbomber“ gaben.
„Uncle Wiggle Wing“ Gail Halvorsen – das freundliche Gesicht der Menschlichkeit
Gail Seymore Halvorsen wurde am 10. Oktober 1920 in Salt Lake City, Utah, USA, als Sohn einer mormonischen Bauernfamilie geboren. Er interessierte sich schon früh für Flugzeuge und meldete sich 1940 beim amerikanischen Militär, um Pilot zu werden. Nachdem er nach seiner Ausbildung bereits die C-54 auf weltweiten Einsätzen flog, nahm er 1948/49 als Pilot der neu gegründeten United States Air Force an der Berliner Luftbrücke teil, wo er zahlreiche Missionen zur Versorgung der eingeschlossenen Bevölkerung in West-Berlin mit lebensnotwendigen Gütern flog.
Sein Spitzname "Rosinenbomber-Pilot" oder „Uncle Wiggle Wing“ (Onkel Wackelflügel) entstand, als er begann, kleine Fallschirme aus Taschentüchern zu basteln und daran Schokolade, Kaugummi und Süßigkeiten zu befestigen, die er dann nach einer Ankündigung durch „Flügelwackeln“ über Berlin abwarf. Diese Aktion begann spontan, nachdem er bei einem Aufenthalt am Flughafen Tempelhof eine Gruppe von Berliner Kindern getroffen hatte und von deren Tapferkeit und Bescheidenheit beeindruckt war. Gail Halvorsen und seine Nachahmer trugen mit dieser Aktion nachhaltig zur moralischen Stärkung der West-Berliner Bevölkerung bei.
Zum 70. Luftbrückenjubiläum im Jahr 2019 war Gail Halvorsen - damals 92jährig - sogar noch als Stargast in Wiesbaden mit dabei. Er verstarb 2022 im Alter von 101 Jahren in seinem Heimatstaat Utah.
Bei der diesjährigen Feier in Wiesbaden wurden in Gedenken an diese humanitäre Tat wieder Süßigkeiten aus einem „Rosinenbomber“ des Typs C-47 beim Überflug über das Wiesbaden Army Airfield abgeworfen – sehr zur Freude der anwesenden Kinder!
Besonderheiten des Flugbetriebs damals ... und heute
Nachdem das hohe Flugaufkommen während der Luftbrücke anfangs zu großen logistischen Problemen und auch Unfällen geführt hatte, stellte das Führungsteam um den US-Generalleutnant William H. Tunner ein einzigartiges „Fließbandsystem“ in Anlehnung an die Produktionstechnik der großen Autowerke von Detroit auf die Beine, das eine optimale Ausnutzung der im Potsdamer Abkommen vereinbarten drei Luftkorridore zwischen den westlichen Besatzungszonen und Berlin gewährleistete. So flogen die Maschinen vertikal gestaffelt in fünf Ebenen zwischen 5000 und 7000 Fuß mit 500 Fuß Abstand und hatten dabei eine 15-minütige „in trail“ Separation auf ihrer Flugfläche, während der Abstand zu zwei Leveln darunter maximal 3 Minuten betragen durfte. Bei Fehlanflügen in Berlin (Tempelhof, Gatow und später auch Tegel) mussten die Maschinen aufgrund des engen Verkehrsflusses direkt unverrichteter Dinge nach Westdeutschland zurückfliegen, da ein erneuter Anflug im dichten Verkehr unmöglich war. Im Rekordmonat Juli 1949 ermöglichte das System eine gesamte (britische und US-amerikanische) Tonnage von beeindruckenden 253.090t bei 27.592 Flügen.
... und heute
Beim Luftbrückenfest in Wiesbaden waren insgesamt fünf DC-3 bzw. C-47 vor Ort, von denen drei Ende Mai aus den USA nach Europa gekommen waren, u.a. um an den Jubiläumsveranstaltungen zum 80. Jahrestag des D-Day in der Normandie teilzunehmen. Die Maschinen gehören zum Teil zum sog. D-Day Squadron bzw. der Commemorative Air Force, die sich dem Erhalt dieser historischen Flugzeuge im flugtüchtigen Zustand verschrieben haben.
Ein Flug über den Atlantik in einer über 80 Jahre alten kolbengetriebenen Propellermaschine ohne Druckkabine ist bis heute ein Abenteuer und so konnte die Überführung der DC-3/C-47 Maschinen von Amerika nach Europa in der zweiten Maihälfte an einigen Tagen an öffentlichen ADS-B Anzeigesystemen wie beispielsweise „flightradar24“ mitverfolgt werden. Die betagten Maschinen flogen dabei entlang der sog. „blue spruce routes“ über Goose Bay (CYYR) in der kanadischen Provinz Neufundland und Labrador, Narsarsuaq (BGBW) in Südgrönland und dem isländischen Reykjavik (BIRK) sowie Prestwick (EGPK) in Schottland bevor es dann weiter auf den europäischen Kontinent ging. Die „blue spruce“ Routen (benannt nach der in arktischen Breiten beheimateten Blaufichte) zeichnen sich, anders als beispielsweise die auf kommerziellen Transatlantikflügen üblicherweise geflogenen North Atlantic Tracks (NAT), dadurch aus, dass sie immer in Reichweite des terrestrischen VHF-Funks verbleiben und somit auch mehrere Zwischenlandeoptionen bieten, die für reichweitebeschränkte Flugzeuge notwendig sind. Üblicherweise kommen die Routen heute noch bei der Überführung von Kleinflugzeugen zur Anwendung.
Historische Bedeutung und Vermächtnis
Die Berliner Luftbrücke ist ein herausragendes Beispiel für internationale Zusammenarbeit und humanitäres Engagement und bis heute eine luftfahrttechnische und -betriebliche Meisterleistung. Sie demonstrierte die Entschlossenheit der westlichen Alliierten, die Freiheit und Unabhängigkeit West-Berlins zu verteidigen. Die Rollen des Rhein-Main-Flughafens Frankfurt und der Wiesbaden Airbase waren dabei unverzichtbar. Beide Standorte trugen durch ihre logistische und strategische Bedeutung wesentlich zum Erfolg der Operation bei, weshalb die Feierlichkeiten am 15./16. Juni in Wiesbaden ein würdiges Gedenken an das 75-jährige Jubiläum dieses besonderen historischen Ereignisses darstellten.
Heute erinnern u.a. Denkmäler an die Opfer und Helden dieser Zeit, so z.B. auch das Luftbrückendenkmal am Frankfurter Flughafen, mit den zwei permanent ausgestellten Flugzeugen C-47 und C-54, sowie das Pendant des Denkmals am ehemaligen Flughafen Tempelhof in Berlin. Die Luftbrücke bleibt ein Symbol für die Überwindung von Widrigkeiten und vormaliger Feindschaften durch Solidarität und Zusammenarbeit angesichts neuer Bedrohungen und ihre Bedeutung ist auch 75 Jahre später noch tief in das kollektive Gedächtnis der deutsch-amerikanischen Freundschaft eingebettet.
Online Quellen:
1.) https://www.tagesspiegel.de/berlin/die-luftbrucke-in-zahlen-6533326.html
2.) https://www.gg-online.de/html/gail_halvorsen.htm
3.) Jubiläumsfeier in Wiesbaden: "Rosinenbomber" erinnern an Berliner Luftbrücke | hessenschau.de | Panorama
4.) 75 Jahre Berliner Luftbrücke: „The Big Lift“ lief wie ein Uhrwerk (faz.net)
5.) Wiesbaden celebrates 75th anniversary of Berlin Airlift | Stars and Stripes
6.) DC-3 Society | D-Day Squadron (ddaysquadron.org)
7.) https://www.flightradar24.com/
8.) BerlinerBlockadeLuftwege - Luftkorridor (Berlin) – Wikipedia
9.) C-47A Skytrain – Air Mobility Command Museum (amcmuseum.org)
10.) C-54M Skymaster – Air Mobility Command Museum (amcmuseum.org)