Als Cockpitpersonal achten wir darauf, unsere körperliche Gesundheit zu erhalten. Bei körperlichen Beschwerden suchen wir routinemäßig ärztliche Hilfe und sind uns bewusst, dass unser Beruf besondere Belastungen für unsere Gesundheit mit sich bringt, sowie dass unsere Gesundheit wichtig ist, um langfristig flugtauglich zu bleiben. Doch wie gehen wir mit den mentalen Herausforderungen um? Mit Dauerstress, der uns plötzlich doch zu schaffen macht? Was hat es mit dieser mentalen Gesundheit auf sich, von der heutzutage alle berichten? Als Cockpitpersonal sind wir sehr gut ausgebildet und müssen stets leistungsfähig sein. Während unserer Laufbahn meistern wir viele Ausbildungen und Prüfungen. Sollte das uns nicht weniger anfällig machen?
In der Luftfahrtbranche wird immer deutlicher, wie wichtig es ist, sich auch um unsere mentale Verfassung zu kümmern: Mentale Gesundheit wird ein immer größerer Faktor für die Flugsicherheit. Crew Ressource Management ist schon lange ein Begleiter in unseren Schulungen und immer öfter werden wir mit Schlagwörtern wie Resilienz, CISM und Peer Support konfrontiert. Doch wann ist der Kontakt zu Peer Support Programmen möglich und richtig?
Peer Support im Cockpit: Einblick in Unterstützungsprogramme für die mentale Gesundheit von Piloten und Pilotinnen
"Jeder, der Fragen zur mentalen Gesundheit, Belastung oder zu Suchterkrankungen hat, ist bei uns an der richtigen Stelle", erklärt ein Vertreter eines Peer Support Programmes (PSP). Die Stiftung Mayday, AntiSkid, Vertrauensteams und die VC SupportLine bieten Pilotinnen und Piloten in Deutschland (und zum Teil darüber hinaus) spezialisierte Unterstützung durch vertrauliche Gespräche, die Aufnahme in Programme oder die Vermittlung an externe Fachleute. Sie verstehen sowohl die Arbeitsbedingungen der Luftfahrt als auch die gesetzlichen Anforderungen an die medizinische Tauglichkeit. Dabei zeigt das Zitat, dass man sich grundsätzlich mit allen Themen und Fragen an eines der PSP wenden kann. Selbst wenn das PSP selbst keine weitergehende Unterstützung bieten kann, wird man doch an die richtigen Kontaktstellen weitergeleitet.
Auch die AG DAS (Diversity & Social) der Vereinigung Cockpit nimmt sich dieser Themen seit über einem Jahr an. Im Rahmen des Round Tables Mental Health & Well Being (RTMH) finden regelmäßig Treffen mit Vertretern von Peer Support Programmen, psychologischen Fachverbänden und weiteren Expertinnen und Experten für mentale Gesundheit statt. Diese Treffen dienen dem Austausch zwischen der VC und den Supportprogrammen sowie der Diskussion über die Bedeutung der mentalen Gesundheit für die Flugsicherheit als auch die speziellen Anforderungen an die medizinische Tauglichkeit und deren Auswirkungen auf die Tätigkeit im Cockpit.
"Stigmatisierung überwinden: Scham isoliert, Gemeinschaft stärkt"
Peer Support richtet sich nicht ausschließlich an schwere Fälle von psychischen Problemen und Missbrauch von Substanzen
Bei Fragen der körperlichen Gesundheit wissen viele von uns, was man machen könnte, um diese zu erhalten. Doch wie sieht es bei der mentalen Gesundheit aus? Wie können wir insgesamt langfristig resilient bleiben und mit den beruflichen und privaten Belastungen umgehen?
Aus Sorge vor Verurteilung, Stigmatisierung oder gar Verlust des Medicals werden mentale Belastungen oft verschwiegen, anstatt sie aktiv anzugehen. Die Last des immer schwerer werdenden mentalen Rucksacks kann langfristig zu ernsthaften Problemen führen.
Die Sorgen vor dem Verlust des Medicals wie auch die Zweifel an der Notwendigkeit, Hilfe zu suchen, sind für jede Pilotin und jeden Piloten verständlich. Meist sind diese Sorgen jedoch unbegründet und es gibt hingegen gute Gründe, sie zu überwinden.
"Die Scham davor Unterstützung in Anspruch zu nehmen, macht einsam und isoliert, was wiederum die Bewältigung der eigentlichen Herausforderungen erschwert.", sagt Sven, Mitglied der AG DAS. "Zu denken, dass man der/die Einzige sei, die/der diese Scham verspürt ist menschlich und das größte Hindernis bei der Bewältigung jeder Krisensituation."
Auch aus diesem Grund legen die einzelnen Programme großen Wert auf eine niederschwellige Kontaktaufnahme.
Der Mehrwert von Peer Support entfaltet sich schon bei entstehenden und viel weniger gravierenden Problemen, indem man frühzeitig Lösungen für aktuelle Herausforderungen findet.
Peer Support richtet sich nicht ausschließlich an schwere Fälle von psychischen Problemen und Missbrauch von Substanzen. Die Kontaktaufnahme zu den Supportprogrammen ist schnell, unbürokratisch und vertraulich.
Es kommt darauf an, die verfügbaren Angebote zu kennen und zu nutzen
Die Inanspruchnahme von Peer Support bietet in jedem Fall zahlreiche Vorteile. Die Programme sind darauf ausgerichtet, die medizinische Tauglichkeit der Teilnehmender zu erhalten oder beschleunigt wiederherzustellen. Es gibt viele positive Beispiele von Pilotinnen und Piloten, die durch die Inanspruchnahme von Peer Support nicht nur ihre alltäglichen Stressfaktoren besser bewältigen konnten, sondern auch aus sehr schweren Lebenssituationen wieder den Weg ins Cockpit gefunden haben.
Als Cockpitpersonal sind wir zwar per se widerstandsfähig, gut ausgebildet und kompetent, dennoch sind wir keine Superfrauen und Supermänner im Cockpit. Unsere oft hohe Belastung im Job sowie private Lebenskrisen bleiben bei keinem von uns ganz ohne Wirkung.
Und trotzdem ist es menschlich und verständlich, dass sich nicht jede oder jeder mit dem Thema mentale Gesundheit beschäftigen möchte – und das ist in Ordnung. Wichtig ist, dass wir alle wissen, welche Hilfsangebote es gibt und wie wir sie in Anspruch nehmen können.
Mentaler Gesundheit und Fitness sollte im Cockpit ebenso viel Beachtung geschenkt werden wie allen anderen Aspekten unserer Flugtauglichkeit. Und ebenso wie bei anderen Aspekten der Gesundheit und Flugtauglichkeit, kann ein offener Umgang und frühzeitiges Hilfesuchen dazu führen, längere Erkrankungen zu verhindern.