Mitgliedermagazin der Vereinigung Cockpit

Interview zur aktuellen Situation bei TUIfly

Interview mit Oliver Staiger, TK-Sprecher, und Tanja Viehl, Senior-Tarifreferentin und Mitglied des Aufsichtsrates der TUI AG

02.11.2023 Tarif von Lars Frontini, stv. Pressesprecher

Quelle: Markus Mainka/Shutterstock

Lars Frontini: Tanja und Oliver, es freut mich, dass wir heute miteinander zur Situation bei TUIlfy sprechen können. Lasst uns gleich starten: Wo steht ihr als TK im Moment in Bezug auf das Tarifgeschehen?

Oliver Staiger: Ich würde sagen: Wir befinden uns gerade in der Mitte zwischen zwei Phasen. Die Coronakrise haben wir alle hinter uns gelassen und das spürt natürlich auch der Arbeitgeber. Für uns als TK eröffnet das einerseits Chancen, andererseits müssen wir aber feststellen, dass die durch diese Krise bedingten heftigen Einschnitte weiterhin Bestand haben. Der Arbeitgeber hat uns erhebliche Zugeständnisse abgerungen, die in Teilen wirklich weh getan haben. Umso wichtiger ist es deshalb jetzt für uns, in eine neue Phase zu kommen, wo sich die positive Geschäftsentwicklung der TUIfly endlich auch bei uns als Arbeitnehmer angemessen auswirkt.

Frontini: Kannst Du das noch etwas präzisieren?

Staiger: Na klar. Eine offensichtliche Sache ist, dass es mittlerweile wieder Einstellungsangebote für FOs gibt und dass auch die Kapitänswerdung für unsere FOs wieder eine Option wird. Es freut mich besonders, dass ehemalige Kollegen, die zwischenzeitlich bei anderen Airlines beschäftigt waren, die Möglichkeit erhalten, wieder zurück zu TUIfly zu kommen. Über die Bedingungen wäre noch zu reden, aber in jedem Fall ein toller Fortschritt, sowohl in fachlicher als insbesondere auch in kollegialer Hinsicht. Das sind glasklare Indizien für ein Ende der Krise! Und dieses Ende muss in Form von einem Ende der Krisenbedingungen jetzt bei uns ankommen!

Frontini: Tanja, was heißt das für die Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite und die weitere Entwicklung der TUIfly? Gibt es eine Wachstumsperspektive?

Tanja Viehl: Zunächst einmal heißt das, dass die Basis für Gespräche und Verhandlungen aus unserer Sicht nicht das aktuelle Niveau sein sollte, sondern dass wir als Absprungbasis das Vorkrisenniveau aufgreifen wollen. Für den Arbeitgeber sind die Geschäfte auch wieder auf Vorkrisenniveau. Insofern ziehen wir nur nach und kommen hier wieder auf Augenhöhe. Außerdem gilt: Der Arbeitgeber konnte in den vergangenen Monaten klar ablesen, dass mit einer größeren Flotte eine deutlich bessere Wirtschaftlichkeit der TUIfly zu erreichen gewesen wäre. Daher wäre Wachstum sinnvoll. Genauso steht für uns fest, dass wir für Wachstum keine Zugeständnisse machen werden, gerade weil es sich allein durch die verbesserten Stückkosten bezahlt machen wird.

Über die Interview-Partner

Tanja Viehl arbeitet seit 2017 für die Vereinigung Cockpit. Sie ist Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) und als Senior-Tarifreferentin unter anderem für die TUIfly-Tarifkommission zuständig. Seit 2021 ist sie für die Vereinigung Cockpit Mitglied im Aufsichtsrat der TUI AG.

Oliver Staiger arbeitet seit 26 Jahren für die TUIfly. Er fliegt seit 22 Jahren als Kapitän auf Boeing 737 und ist seit 15 Jahren als Sprecher der TUIfly-Tarifkommission tätig.

Sie wurden von Lars Frontini befragt, der VC-Vorstandsmitglied und stellvertretender VC-Pressesprecher ist und im Hauptberuf als Kapitän auf Airbus A320 bei Lufthansa fliegt.

Frontini: Wenn ich es richtig erinnere, hatten die Kolleginnen und Kollegen bei der TUIfly mit erheblichen Einschnitten zu kämpfen. Viele sagen, diese Einschnitte gingen weit über das in der Coronakrise notwendige für das Unternehmen hinaus. Wie seht ihr das?

Viehl: Ganz genauso! Es stimmt leider, was Du sagst, da ist ganz schön was zusammen gekommen: Wir hatten in den Vorjahren Nullrunden, eine Aussetzung der Stufensprünge und auch noch eine sehr schmerzhafte Halbierung der Altersvorsorge. Das ist schon eine ganze Menge, die das Unternehmen den Arbeitnehmern zugemutet hat. Ganz allgemein kommt dann natürlich auch noch die sehr hohe Inflation dazu, die wir alle jeden Tag spüren.
Die Erhöhung von 8% in diesem Jahr im Rahmen des VTV reicht deshalb bei weitem nicht aus. Wenn es der Arbeitgeber ernst meint mit einer gemeinsamen Zukunft und guten Arbeitsbedingungen, reden wir von deutlich zweistelligen Steigerungen, die wir brauchen.

Frontini: Beim Geld muss also ordentlich etwas passieren. Wie sieht es denn bei Euren konkreten Arbeitsbedingungen aus, Stichwort MTV?

Staiger: Auch hier haben wir aktuell erheblichen Handlungsbedarf. Im MTV müssen wir zu einem deutlichen Belastungsabbau kommen, insbesondere in Hinblick auf unsere Arbeitszeiten und auf disruptive Dienste. Ich bin davon überzeugt, dass Verbesserungen hier auch im Interesse des Arbeitgebers liegen. Einerseits, um uns alle fit und belastbar für den Job zu halten, andererseits natürlich auch allein schon dafür, um die Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern.

Frontini: Tanja, wie ordnest Du als Mitglied im Aufsichtsrat der Konzernmutter TUI AG das Gesagte in die Situation des Konzerns ein?

Viehl: Wir haben als TUI-Konzern die Coronakrise schon in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres 2022 hinter uns gelassen und sind seit 2023 zurück auf dem Wachstumspfad. Strategisch hat sich der Konzern schon vor 2023 neu aufgestellt und ehrgeizige Ziele in den Bereichen Hotels & Resorts, Kreuzfahrten, Märkte & Airlines und TUI Musement entwickelt. Es zeigt sich, vieles wird angeschoben und weiterentwickelt, natürlich auch bei den Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit. In dem starken Team der TUI mit über 70.000 Beschäftigten steckt ein unglaubliches Qualitäts- und Innovationspotenzial. Die Kundenzufriedenheit in allen Bereichen auf einem hohen Niveau zu halten und ggf. Verbesserungspotenziale zu nutzen, das bleibt eine wichtige Aufgabe – und die kann nur mit motivierten Mitarbeitenden gelingen.

Frontini: Das klingt nach herausfordernden Gesprächen, die ihr zu führen haben werdet. Oliver, Tanja, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Eure Arbeit in der TUIfly-TK.