Mitgliedermagazin der Vereinigung Cockpit

Empfehlungen zum Umgang mit psychischen Erkrankungen

VC Position zum Horizon Airlines Vorfall, Flug QX-2059/AS-2059 von Everett, WA nach San Francisco, CA am 22. Oktober 2023

15.12.2023 Flight Safety von Pablo Lenz, Bern Römmelt, Carolin Bach, Zac Brown und Tobias Hinsch, AG Diversity and Social

© Małgorzata Tomczak / Pixabay

Während des Fluges versuchte eine Person auf dem Jump Seat beide Triebwerke abzuschalten. Die Cockpitbesatzung konnte dies jedoch verhindern und entfernte die Person aus dem Cockpit. Die Kabinenbesatzung setzte Handschellen ein, um die Person zu sichern. Die Cockpitbesatzung entschied sich für eine Landung in Portland. Nach der Landung wurde die Person von den Behörden in Gewahrsam genommen.

Die betroffene Person gab an, seit 40 Stunden nicht geschlafen zu haben und vor etwa sechs Monaten an Depressionen erkrankt zu sein. Zudem führte sie Müdigkeit, Dehydrierung und den erstmaligen Konsum von psychedelischen Pilzen als mögliche Gründe für ihr Verhalten an.

Wir haben bisher keine genauen Informationen darüber, was zu dem Vorfall geführt hat und möchten uns nicht an Spekulationen beteiligen.  Dennoch nehmen wir diesen Zwischenfall zum Anlass, unsere Mitglieder auf die Gefahren schleichender psychischer Erkrankungen hinzuweisen. Es ist wichtig zu betonen, dass fast jeder dritte Mensch im Laufe seines Lebens an einer behandlungsbedürftigen psychologischen Erkrankung leidet.

Psychische Erkrankungen werden immer noch vielerorts tabuisiert und in Teilen der Bevölkerung lösen sie Verunsicherung und Ängste aus. Dies führt dazu, dass Betroffene sich oft als stigmatisiert und ausgegrenzt empfinden. Wir möchten darauf aufmerksam machen, wie wichtig es ist, offen über psychische Gesundheit zu sprechen, um das Bewusstsein zu schärfen und Unterstützung anzubieten. 

Empfehlungen

  1. Die Vereinigung Cockpit setzt sich entschieden für die Entstigmatisierung von psychischen Problemen und Erkrankungen ein. Dies ist entscheidend, um Betroffenen den Zugang zu Präventions- und Hilfsprogrammen zu erleichtern. Die Unterbrechung und Behandlung schleichender oder sich aufsummierender psychologischer Erkrankungen kann einen erheblichen Sicherheitsgewinn bedeuten.
  2. Wir plädieren dafür, dass Personen, die mit psychischen Krisen wie Trennungen oder Trauer konfrontiert sind, die Möglichkeit haben, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dabei sollen sie die Gelegenheit haben, mit Fachleuten zu sprechen und sich gegebenenfalls krankschreiben zu lassen, ohne sich wegen möglicher Konsequenzen für ihre Lizenz sorgen zu müssen.
  3. Es ist von höchster Bedeutung, dass Cockpitpersonal nur dann fliegt, wenn es körperlich und mental fit ist. Psychische Erkrankungen sollten hierbei genauso selbstverständlich behandelt werden wie körperliche Erkrankungen. Dabei bedeutet die Inanspruchnahme psychologischer Hilfe nicht automatisch den Lizenzverlust.
  4. Seit 2018 existieren in der EU (EASA-Staaten) verpflichtende Strukturen für Pilot Peer Support Programme, die Unterstützung bieten können (EU VO 2018/1042). Bei Bedarf kann eine therapeutische Behandlung ohne fliegerische Tätigkeit erfolgen, bis sichergestellt ist, dass einer sicheren Flugdurchführung nichts im Wege steht. Bei schweren, anhaltenden psychologischen Störungen könnte es ggf. zu einem dauerhaften Lizenzverlust kommen. Alle Hilfsprogramme werden dabei engmaschig begleitet.

Weitere Informationen

Aviation Herald:
http://avherald.com/h?article=510218dd&opt=0

Bundesministerium für Gesundheit:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/s/seelische-gesundheit.html