Mitgliedermagazin der Vereinigung Cockpit

Elektrisch Fliegen – ein Erfahrungsbericht

Felix Gottwald hat mit der Pipistrel Velis Elektro den ersten von der EASA zugelassenen Flugzeugtyp getestet, der rein elektrisch fliegt. Die zweisitzige Echo-Klasse-Maschine kommt auf Energiekosten von gerade einmal sechs bis acht Euro pro Stunde!

06.07.2022 Mitglieder von Felix Gottwald - Mitglied AG ATS & AG UAS+

An einem schönen Junimorgen stehe ich am Flugplatz Aachen-Merzbrück (EDKA) und blicke auf zwei schnittige Zweisitzer der Marke Pipistrel in der Halle der Flugschule Westflug. Eigentlich nichts Besonderes, außer dass neben ihnen ein Ladeblock mit einem langen Kabel steht. Es handelt sich hierbei nämlich um den ersten von der EASA-zugelassenen Flugzeugtyp, der rein elektrisch fliegt! Die beiden Velis Electro in der Halle basieren auf dem Ultraleichtflugzeug Pipistrel Virus und haben mit ihrer begrenzten maximalen Startmasse von 600 kg lediglich eine Nutzlast von 172 kg, sind aber in Deutschland als Echo-Klasse-Flugzeuge zugelassen.

Mein Fluglehrer Rob Akron ist nicht nur UPRT-Ausbilder und erfahrener Buschpilot, sondern auch Mitglied der VC-Arbeitsgruppe UAS+ ("Drohnen und mehr"). Er führt mich zuerst in die Theorie ein. Neben Details zum Flugzeug selbst legt er dabei natürlich einen Schwerpunkt auf die Unterschiede zur konventionellen Fliegerei. Im Elektroflugzeug ist besonders die Lade- und Lebensdauer der Batterie wichtig und erfordert eine genaue Beobachtung des Ladezustands und eine gute Flugplanung! Aktuell kann man etwa 45 Minuten Flugzeit aus den Batterien herausholen, ohne sie dauerhaft zu schädigen.

Batterie im Auge behalten

Der erste wichtige Parameter ist die State of Health (SOH) der Batterie, die anzeigt, wie hoch ihre Kapazität und ihr allgemeiner Zustand ist. Für den jeweiligen Flug ist dann noch die State of Charge (SOC) maßgebend, die angibt wie gut geladen die Batterie ist. Aufgrund der kurzen Reichweite ist hier jedes Prozent von Vorteil und wir starten heute immer mit 100 Prozent.

Geladen werden die Flugzeuge über mobile Ladestationen, die genauso wie bei einem Elektroauto oder Handyakku den optimalen Ladestrom regeln. Die maximale Stromstärke beträgt dabei 32 A und wird zum Ende hin heruntergeregelt. Zum Aufladen brauchen die Batterien mindestens eine Stunde. Wir können also immer ein Flugzeug laden und mit dem anderen fliegen gehen, anschließend eine kurze Pause machen und dann wieder abheben.

Neue Berechtigung: "Single Engine (land)", ohne "Piston"

Die Einweisung umfasst insgesamt vier Flüge, wobei wir meist in der Platzrunde bleiben und zum Abschluss noch einen "Überlandflug" nach Geilenkirchen (ETNG) durchführen. Für mich wird dies gleichzeitig die Verlängerung meiner SEP-Klassenberechtigung sein, wodurch sich mein Lizenzeintrag in eine SE-Berechtigung ändert – "Single Engine (land)", ohne "Piston". Ich bin wohl der erste Pilot in Deutschland, der Verlängerung und Umschreibung gleichzeitig macht.

Beim Einsteigen passe ich mit angezogenen Beinen gerade so in das Flugzeug und finde eine Position, in der mein Kopf nicht dauernd an die Streben in der Decke stößt – mit 1,92m habe ich anscheinend die maximale Größe für Piloten in der Velis Electro ausgereizt. Das Cockpit selbst ist modern mit wenigen Anzeigen und einem großen Display ausgestattet, auf dem die Triebwerks- und Batterieparameter sowie weitere Angaben abgebildet sind. Per Checkliste führt mich Rob in die Preflight-Checks ein, die nach einiger Übung schnell gemacht sind. Die große Überraschung findet aber beim Starten des Triebwerks statt, denn es passiert: nichts.

Selbst wenn das Triebwerk an ist, bewegt sich der Propeller erst, wenn die Schubhebel aus der Leerlaufstellung heraus nach vorne geschoben werden. Dann surrt der Motor aber bereitwillig los und gibt sofort seine Leistung. Einen klassischen Run-Up an der Bahn braucht es auch nicht und so stehen wir mit stehender Luftschraube an der Piste, während vor uns laut knatternd ein konventionelles Flugzeug landet.

Leistung setzen in kW

Auf der Bahn regele ich die Leistung kurz über den Schwellenwert von 50 kW und ziehe sie dann wieder etwas zurück. Schon geht es los! Der erste Start ist etwas wackelig, aber irgendwie schaffe ich es halbwegs geradeaus zu fliegen. Auch Elektroflugzeuge brauchen zum Start rechtes Ruder, ein Umstand, an den mich Rob an diesem Tag noch oft erinnern wird.

Neben Verkehrsflugzeugen habe ich in den letzten Jahren nur die gutmütigen Cessna 172 geflogen und tue mich am Anfang schwer mit dem leichten Flugzeug, dessen Motor so willig meine Befehle in Schub umsetzt. Geflogen wird dabei, indem wir eine Leistung in kW setzen. Die RPM ist dann abhängig von der Geschwindigkeit. Jedes Mal, wenn sie mir im Steigflug in den gelben Bereich rutscht, nehme ich die Nase hoch und daraufhin sinkt die RPM wieder in den grünen Bereich.

Zur Eingewöhnung fliegen wir geradeaus, dann Kurven und Steilkurven. Die großen Scheiben erlauben dabei einen fantastischen Blick nach vorne und unten, was besonders bei 60°-Kurven sehr beeindruckend ist. Ich übe auch das Überziehen in verschiedenen Konfigurationen und immer bringt der Motor sofort seine Leistung, sodass jede Recovery einfach glückt.

Nach dem Flugzeugwechsel fliegen wir Platzrunden in Aachen. Im Gegenanflug setze ich dazu etwa 20 kW Leistung, sodass sich die Geschwindigkeit etwa bei 70 kn einpendelt. Wie sonst auch, wird auf Höhe der Schwelle reduziert, konfiguriert und man fliegt standardmäßig mit Klappenposition 2 und 60 kn an. Einzig die Position des Klappenhebels ist sehr gewöhnungsbedürftig, da er hinter meinem rechten Arm platziert wurde und ich mich jedes Mal verrenken muss, um die Klappen aus- oder einzufahren. Nach jedem Durchstarten überprüfen wir den SOC – sobald die Batterie unter 30 Prozent geladen ist, bekommen wir eine Warnung und sollten tunlichst in der Nähe eines Flugplatzes zum Landen sein! Spätestens bei einem SOC unter 15 Prozent wollen wir am Boden sein, um die Batterien zu schonen.

Die gute Aerodynamik der Velis Electro kann im Notfall helfen

Auf dem dritten Flug üben wir Notfälle. Hier besteht vor allem die Gefahr des Überhitzes der Batterien, zum Beispiel weil die Kühlmittelpumpe oder -leitung kaputt ist, oder irgendetwas im elektrischen Kreislauf nicht rund läuft. Wie im "großen" Flugzeug würden im Fall der Fälle Master Cautions und Master Warnings generiert und die entsprechenden Fehler auf dem Display angezeigt. Selbst wenn der Motor ausfällt, hat man aber noch genügend Zeit einen geeigneten Landeplatz zu finden. Mit einer Gleitzahl von 1:15 segelt die Velis Electro bei Bedarf sehr lang, sodass ich mich regelmäßig bei der Auswahl "meines Ackers" verschätze.

Unseren elf NM langen Überlandflug nach Geilenkirchen nutzen wir, um das Garmin-GPS zu besprechen. Zum Glück lässt uns "Frisbee TWR" einige Platzrunden drehen, bevor es schon wieder zurück gehen muss, wenn wir noch mit genügend "Saft" in Aachen ankommen wollen. Auf dem Rückweg rechnen wir kurz durch, was uns eine Flugstunde an Strom kostet.

Sechs bis acht Euro Energiekosten für eine Stunde in der Luft

Die Betriebskosten sind erstaunlich niedrig! Die beiden Batterien fassen zusammen etwa 24 kWh Energie. Wenn man bedenkt, dass wir mit etwa 30 Prozent SOC landen wollen, verbraucht die Velis Electro also ungefähr 17 kWh in 45 Minuten. Wenn Ökostrom etwa 35 Cent/kWh kostet, sind das Energiekosten von gerade einmal sechs Euro, bzw. acht Euro pro Stunde! Das gleiche Flugzeug als Verbrenner würde bei Avgas-Kosten von heutzutage bis zu drei Euro pro Liter dagegen schon etwa 55 Euro pro Stunde für Energie verbrauchen.

Nach dem letzten Flug und etwa 15 Landungen in der Velis Electro, bekomme ich nicht nur meinen Lizenzeintrag von Rob, sondern bin auch hellauf begeistert vom elektrischen Fliegen! Es ist einfach, effizient und vor allem sehr schön leise. Natürlich ist noch nicht alles perfekt, aber die nächste Batteriegeneration steht in den Startlöchern und wir werden bald etwas größere Flugzeuge sehen, die auch eine vernünftige Höchstflugdauer haben. Gerade für Flugschulen bieten sich jetzt schon sehr gute Möglichkeiten, ihre Schüler an diese Art des Fliegens heranzuführen und mit etwas Planung lassen sich auch die Ladezyklen gut organisieren. Die lärmgeplagten Anwohner werden es danken, langfristig ergibt sich ein Geldvorteil und wenn man Ökostrom "tankt", kann Fliegen tatsächlich auch weniger umweltschädlich sein – dem Elektroflugzeug gehört die Zukunft!