Am 27. und 28. März 2024 öffnete unser europäischer Dachverband, die European Cockpit Association (ECA), die Türen ihres neuen Büros für ein ECA IND WG Meeting in Brüssel. Für die Vereinigung Cockpit (VC) nahmen James Phillips (ECA IND WG-Chairman), Lars Frontini (Vorstand), Magnus Latus (Malta Air-TK), Tobias Hinsch (AG DAS) und Johannes Bade (Referent Internationale Beziehungen) teil. Da die internationale Arbeit der ECA von größter Bedeutung für den Erhalt von fairen Arbeitsbedingungen ist, sind die Beiträge der VC auf europäischer Ebene gerne gesehen.
Insgesamt kamen mehr als 15 Vertreter aus den europäischen Mitgliedsverbänden und Vertreter unterschiedlichster Trans-National Airlines (TNAs) zusammen, um sich über tarifliche, soziale und politische Themen auszutauschen. Zu den Diskussionsthemen gehörten u.a. die Strategie der ECA im Hinblick auf soziale Themen, Treffen mit Vertretern der Generaldirektionen der Europäischen Kommission Beschäftigung, Soziales und Integration (DG EMPL), Mobilität und Verkehr (DG MOVE) und der „European Labour Authority“ (ELA). Besonderes Augenmerk erlangten durch Gastvorträge die neuen EU-Vorschriften zur Plattformarbeit („Platform work directive“) sowie „Atypische Beschäftigung, berufsbedingtes Wohlbefinden beim europäischen Cockpit- und Kabinenpersonal und die Beziehung zur Safety“. Darüber hinaus wurde auch über Commuter Travel Policies, „Work-life balance“, die Vorbereitungen auf das nächste Treffen des ICAO Air Transport Regulation Panel (ATRP) und die Reduced Crew Operations (RCO) – Kampagne safetystartswith2.com. gesprochen.
Der erste Tag begann mit einem Update aus der ECA Social Steering Group durch Anastasiia Prychta (ECA Junior Social & Industrial Affairs Manager) und Patrick Arpino (ECA Professional Affairs Director). In diesem Zusammenhang erwähnten sie die neu entworfene „Roadmap Social Agenda 2024“. Da die Revision der Air Services Regulation (EC) 1008/2008 trotz der Verzögerung noch läuft und die Arbeit an die nächste Europäische Kommission übertragen wurde, ist es eine der Hauptprioritäten der ECA, auf eine Verbesserung der Sozialvorschriften durch eine Überarbeitung zu drängen. Das ECA-Team hat somit die Strategie zusammen mit der ECA Social Steering Group überprüft und hierzu eine „Roadmap Social Agenda 2024“ angefertigt. Zudem berichteten sie von Treffen mit Vertretern der DG MOVE welche aus unserer Sicht insgesamt leider eher ernüchternd verliefen. Weiter berichteten beide von einem Treffen mit der ELA bei dem unsere sozialen Themen wie z.B. atypische Beschäftigungen und Wetlease erneut platziert wurden. Es wurde in diesem Zusammenhang erneut auf das ECA Positionspapier „Atypical Employment“ verwiesen.
Im Anschluss sprach Tobias Müllensiefen (Legal Officer for the European Commission DG EMPL) zu EU-Vorschriften zur Plattformarbeit („Platform work directive“). Mit den neuen Vorschriften könnte gegen Fälle fälschlicher Einstufungen von Plattformbeschäftigten vorgegangen und der Weg dafür geebnet werden, dass diese Beschäftigten als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingestuft werden, wodurch der Zugang zu ihren Rechten als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach EU-Recht erleichtert würde. Es wurden dabei Parallelen aber auch Unterschiede zu unserem Arbeitsumfeld deutlich, wie sich in einer Diskussionsrunde im Anschluss an den Vortrag zeigte. Aktiv ist die DG EMPL im Übrigen nur geworden, weil es auffällig viele Gerichtsverfahren gab (keine Reports/Daten = kein Problem). Erwähnenswert ist auch, dass in der Vorschrift das erste Mal die widerlegbare Annahme eines Arbeitsverhältnisses formuliert wurde.
Danach folgte ein weiterer Gastvortrag von Dr. Lien Valcke (Universität Gent), die die Ergebnisse ihrer Dissertation „Happiness in the sky? (Atypical) employment, job-related wellbeing in European cockpit and cabin crew, and the relationship with safety (behavior)” vorstellte. In ihrem Vortrag analysierte sie den Zusammenhang zwischen den Beschäftigungsbedingungen, der damit verbundenen Managementkultur und dem allgemeinen (psychischen und physischen) Wohlbefinden des europäischen Cockpit- und Kabinenpersonals und versuchte die Frage zu klären, ob letzteres die Sicherheit (das Verhalten) im beruflichen Kontext beeinflusst. Ihre Untersuchung wird aus Sicht der Arbeitnehmer durchgeführt und besteht aus einer umfangreichen Literaturstudie und einer Analyse des bestehenden Rechtsrahmens, basiert aber hauptsächlich auf verschiedenen, selbst erhobenen Datensätzen und damit verbundenen statistischen Analysen. Die Ergebnisse ihrer Doktorarbeit zeigen, dass sich die Arbeitsbedingungen und der Beschäftigungskontext des europäischen Flugpersonals in den letzten 10 Jahren nicht verbessert haben. Gerade die Legacy-Carrier haben sich in Richtung der Low-Cost-Carrier entwickelt. Darüber hinaus konnte sie feststellen, dass der „grüne Wandel“ und die Covid-19-Krise zusätzlichen Stress und Druck auf die Löhne, die Arbeitsplatzsicherheit und die Arbeitsbedingungen ausgeübt und zu einem noch stärker entmenschlichenden Managementstil geführt haben. Die größten Einflüsse auf die Flight Safety haben dabei der Managementstil, das persönliche Wohlbefinden und sozioökonomische Faktoren. Leider ignorieren nicht nur die Airlines, sondern auch die EASA diese Erkenntnisse, da sie nicht einfach mit Kennzahlen zu managen sind. Allerdings gäbe es durchaus Methoden, die man nutzen könnte. Die Untersuchungen haben zudem ergeben, dass die Gewerkschaftszufriedenheit ein wichtiger und signifikanter Puffer ist. Die Bedeutung einer aktiven Verhandlungskultur, der Anerkennung der Gewerkschaften und des sozialen Dialogs in der Luftfahrt sollte daher nicht unterschätzt werden, so Dr. Valcke.
Darüber hinaus stand das Thema „Interoperability“ auf der Agenda. Viele Fluggesellschaften arbeiten heute mit AOCs, die von verschiedenen europäischen Mitgliedstaaten ausgestellt wurden. Die gemeinsame Nutzung von Piloten – offiziell „Crew Interoperability“ genannt - ist ein von der EASA geprüftes Konzept, das ihnen mehr Flexibilität zu einem niedrigeren Preis bieten soll. Das EASA BIS Crew Interoperability befindet sich derzeit immer noch in der Bearbeitung. Eine Veröffentlichung ist für Q1/2024 geplant. Enttäuschenderweise ist man an die ECA nur zu „sozialen“ Aspekten herangetreten. Fest steht aber, dass selbst grundlegende Fragen wie zum Beispiel, ob einzelne Personen oder ganze Crews ausgetauscht werden können, nicht geklärt sind. Aktuell ist der Wildwuchs enorm und eine Regulierung daher sinnvoll. Erfreulicherweise besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen der European Transport Workers’ Federation (ETF) und der ECA zu diesem Thema. Siehe hierzu auch die ECA Position.
Ein interessanter Aspekt zum Thema RCO wurde von Mark Segaloff, der als Gast von der ALPA-I berichtet hat, genannt: Die Homeland Security, dem Ministerium für Innere Sicherheit der USA, verlangt noch heute zu jeder Zeit mindestens zwei Personen im Cockpit. Interessant war auch die durch eigene Daten belegte Aussage, dass von den über 62-jährigen Piloten nur 30 Prozent voll für den Flugdienst zur Verfügung stehen.
Außerdem wurde von den Vorbereitungen auf das nächste Treffen des ICAO ATRP berichtet. In Vorbereitung der Sitzung wurden die ersten Entwürfe zu Arbeitspapieren bzw. Leitlinien übermittelt. Hierbei handelt es sich um die Themen Investmentkonvention, Bedarf der Entwicklung eines eigenständigen internationalen Übereinkommens für Nur-Frachtdienste, Unbemannte Luftfahrt, Entwicklung von Leitlinien zur Handhabung von Luftverkehrsabkommen in Krisenzeiten und Artikel 15 des Abkommens von Chicago. Die VC hat hierzu ihre Kommentare entsprechend an das Referat LF 10 (Luftverkehrspolitik) des Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) übermittelt.
Neben der Vorstellung der einzelnen nationalen „Industrial Reports“ wurden erneut die für dieses Jahr geplanten Umfragen zu Fatigue, Social Rating und eine Gent Umfrage 2.0 beworben. Bereits an dieser Stelle möchten wir uns bei James Phillips, welcher im Oktober sein Amt als ECA IND WG Chairman niederlegen wird, für sein langjähriges internationales Engagement bedanken. Das nächste Meeting der ECA IND WG soll aller Voraussicht nach am 01. - 02. Oktober 2024 stattfinden.