Mitgliedermagazin der Vereinigung Cockpit

CCO/CDO in Europa

Zum aktuellen Stand der Integration von Continuous Climb und Continuous Descent Operations

26.07.2021 Flight Safety von Ricky Burzlaff, AG Air Traffic Services

@ Pixabay

Seit 2009 werden u.a. durch Eurocontrol Projekte und Pläne entwickelt, Continuous Climb sowie Continuous Descent Operations (CCO/CDO) bestmöglich in die europäische Luftfahrt zu integrieren. Jedoch führten viele Hürden zu einer mangelhaften Umsetzung der Pläne. Seit geraumer Zeit arbeiten deshalb verschiedene Interessengruppen, wie die ECA, Eurocontrol, DFS, aber auch verschiedene Airlines – darunter Lufthansa, Condor, Ryanair und TUIfly – zusammen, um die Voraussetzungen für CCO/CDO zu schaffen. Auf dem Weg der Weiterentwicklung dieser Verfahren müssen die Fluglotsen, aber auch wir Pilotinnen und Piloten stärker mitgenommen und informiert werden. 

Aus einer Studie von Eurocontrol aus dem Jahr 2018 geht hervor, dass - bezogen auf das Vor-Corona-Flugvolumen - bei einer konsequenten Anwendung von CCO/CDO-optimierten Steig- und Sinkphasen jährlich bis zu 350.000 Tonnen Kerosin eingespart werden können. Das entspricht rund 35 Kilogramm pro Flug. Trotz der berechneten Ersparnis von bis zu 150 Millionen Euro für die Airlines und einer signifikanten Lärmreduzierung sind diese verhältnismäßig eher bescheidenen Zahlen auch in Zukunft nicht ansatzweise zu erreichen, da nicht überall in Europa CCO/CDO zu 100 Prozent eingeführt werden kann. Da die Zeit im Levelflug während der Sinkphase rund zehn Mal länger ist als die in der Steigphase, hat eine Optimierung des Sinkprofils die meisten Effekte. Ein optimaler Sinkflug sollte normalerweise am Top of Descend (ToD) beginnen und mit Leerlauf geflogen werden. Dazu gibt es bis heute die Daumenregel DtG (distance to go) = FL/3 +- Wind/5. Das FMS berechnet den Top of Descent anhand der eingegebenen Route und einer manuell eingetippten Sinkfluggeschwindigkeit oder dem Cost Index (CI). Aus Sicht von ATC ist diese ToD-Berechnung durch den CI vor allem in verkehrsreichen Zeiten alles andere als optimal, da der jeweilige CI den Fluglotsinnen und -lotsen nicht bekannt ist und somit Flugzeuge desselben Musters zum Teil sehr unterschiedliche ToD haben können. 

Momentan gibt es zwei Hauptarten an Arrivals, die CDO ermöglichen: „Closed path design“ und „Open path design“. Beide Methoden haben eine unterschiedliche Art, die verbliebene Distanz bis zur Schwelle zu ermitteln. Während „Closed path designs“ durch Streckenpunkte bis zum FAF/FAP fest definiert sind und die DtG dabei bekannt ist, nutzen „Open path designs“, wie in Frankfurt oder München, Radarvektoren als Endteil. Damit  ist die DtG vor dem Beginn des Sinkfluges zwar nie bekannt, CDO wird aber durch die Flexibilität der letzten NM vor dem FAF/FAP dennoch ermöglicht. 

Hilfreich für alle Cockpitbesatzungen zur Unterstützung von CDO sind: 

  • ein von ATC genannter Zeitpunkt, an dem man die Freigabe für einen Sinkflug erwarten kann, 
  • eine möglichst früh kommunizierte DtG unter Radarvektoren, 
  • das Wissen um die Art der Arrival noch vor dem ToD, 
  • eine frühzeitige Bekanntmachung von eventuellen Abkürzungen während der Sinkflugphase und 
  • eine Bevorzugung gegenüber abfliegendem Verkehr, um auf einem optimalen Profil zu bleiben. 

Insgesamt ist es wichtig, dass wir als Cockpitkollegium immer ein mentales Bild von unserem notwendigen Sinkprofil haben. Gute Kenntnisse der FMS-Logik und bekannte Daumenregeln können uns helfen, für verschiedene Situationen und bestimmte Taktiken den besten „Descent-mode“ zu wählen. Freigaben, die zu einem destabilisierten Anflug führen könnten, sind möglichst abzulehnen und ATC ist frühzeitig zu informieren. Je eher die Notwendigkeit eines Fortführens des Sinkfluges oder einer Erweiterung der DtG dem Lotsenpersonal kommuniziert werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ATC dem auch gerecht werden kann.  

Geplante Neuerungen

Sowohl die DFS als auch Eurocontrol kündigen an, in Zukunft das Augenmerk stärker auf CCO und CDO zu legen. Dafür wird es auch in der zeitlichen Ferne einige Neuerungen geben, wie zum Beispiel folgende Vorhaben:

  • Erweiterung von CPDLC unter FL285: Freigaben können direkt in das FMS automatisch geladen und das Sink- bzw. Steigprofil dadurch optimiert werden.
  • PRT-Konzept (Permanent Resume Trajectory): Es entwickelt im FMS eine Flugroute, um auf die ursprünglich geplante Route in einer geeigneten Art und Weise rechnerisch zurückzukehren, wenn man sich in einem lateralen Mode befindet und verbessert die situational awareness (durch explizite und veränderbare Flugbahnen, welche in Echtzeit upgedatet werden). Eine optimierte Flugstrategie kann dem Cockpitpersonal nun grafisch dargestellt werden. Dem FMS zugrunde liegende Annahmen werden angezeigt und können auch geändert werden. 
  • Dynamic attribution of arrival routes: In Flughafennähe schrumpfen die lateralen Abstände zwischen den Flugzeugen, weshalb ATC häufig auf vertikale Einschränkungen zurückgreifen muss. Diese können aber durch das „Dynamic attribution of arrival routes“-Konzept verringert werden, das auf die Zuweisung von lateral voneinander getrennten Flugbahnen für Flugzeuge basiert. Dabei bewirken Geschwindigkeits- und Zeitpunktbeschränkungen ein Hinausverschieben des Konvergenzpunktes, bis der laterale Abstand gegeben ist und man somit keinen Gebrauch von vertikalen Restriktionen machen muss.
  • Enhanced Vertical Clearances: Vertikale Beschränkungen im Steig- und Sinkflug werden (nur wenn absolut notwendig) über ein up-link als CPDLC-Nachricht zum Flugzeug gesendet und müssen in die FMS-Berechnungen zum Flugprofil einfließen, was Fluglotsen die Beibehaltung von vertikalen Abständen beschert. Dadurch werden Level-offs und vom FMS nicht betrachtete vertikale Steig- und Sinkraten stark vermindert.
  • Berücksichtigung des ToD vom FMS durch ATC:  Mittels EPP (Extended Projected Profile) kann der ToD aus dem FMS zur jeweiligen ATC-Einheit gesendet werden, was wiederum die Anzahl an frühzeitigen Sinkflügen vermindert. Ebenfalls werden „When ready descend…“-Freigaben möglich, die über ein up-link in das entsprechende Flugzeug verschickt werden, sofern die Fluglotsen keine Konflikte mit anderem Flugverkehr entdecken konnten.  
  • Entwicklung neuer FMS-Algorithmen: Ein wichtiges Ziel ist es, den Flugzeugführenden Möglichkeiten zu schaffen, näher am optimalen FMS-Profil zu fliegen. Aber es gibt noch viel Luft nach oben, was das FMS selbst angeht. Zum Beispiel könnte man mehr Kerosin sparen, wenn man während des Sinkfluges eine variable Geschwindigkeitseinstellung im FMS vornimmt. Dadurch würde man weniger Sprit verbrauchen als mit CI 0 und konstanter Geschwindigkeit, jedoch auf Kosten einer etwas längeren Flugzeit.
  • Mehr DtG-Informationen: Verbesserte Tools und Programme zur Berechnung der DtG sollen die Arbeit der Fluglotsen erleichtern und dementsprechend das DtG-Konzept ausweiten. An Flughäfen, wo dieses Verfahren schon Realität ist, sollen die Informationen dann schon viel eher den Piloten mitgeteilt werden.
  • Neue, umweltfreundlichere Anflugprofile:  Jeder einzelne Anflug ist aufgrund der umliegenden Bedingungen (Wetter etc.) und der ATC-Anforderungen immer einzeln zu betrachten. Im sog. DYNACT-Projekt arbeiten Cockpitbesatzungen, Lotsenpersonal und die Industrie gemeinsam zusammen, um ein globales Bild der Anflüge zu erhalten. Ein Katalog mit verschiedenen priorisierten Empfehlungen und Lösungsansätzen soll das Ziel von DYNACT sein. Dabei werden Punkte wie Geschwindigkeitsbeschränkungen untersucht, aber auch optimierte 4D-Flugbahnen entwickelt, die äußere Einflüsse mit in die Rechnung aufnehmen. Empfehlungen soll es später für das Training der Cockpitbesatzungen, für Flight-Procedure-Entwickler bzw. Behörden, aber auch für die Flugzeughersteller geben.