Mitgliedermagazin der Vereinigung Cockpit

Breitschwert und Skalpell

Die Tarifkommissionen der Lufthansa Group gehen neue Wege

13.07.2022

© fizkes / Shutterstock

Es ist eine Forderung, die gerade zuletzt in der Krise immer wieder zu hören war: Können die Gremien der VC nicht noch geschlossener arbeiten? Können wir nicht Wege finden, die es dem Arbeitgeber unmöglich machen, uns aufzuteilen, ja teilweise sogar gegeneinander auszuspielen? Ob Tarifkommissionen, Vorstand oder Vorsitzender Tarifpolitik: Mit dieser Frage haben sich viele Organe in den vergangenen Monaten auseinandergesetzt.

Unsere Antwort auf diese Manöver des Konzerns lautete lange "Oberurseler Verständnis". Zur Erinnerung: Das Oberurseler Verständnis legt fest, dass die Tarifkommissionen des Lufthansa-Konzerns untereinander größtmögliche Transparenz schaffen, um taktische Manöver des Unternehmens frühzeitig zu erkennen und darauf reagieren zu können. Das geht so weit, dass wir gegenseitig in die Tarifverhandlungen der jeweils anderen Kommissionen Vertreter entsenden.

Bei allen Verdiensten dieses Verfahrens – es hat auch seine Schwächen. Anders als die Arbeitgeberseite sind wir mit unserem Modell vergleichsweise umständlich und schwergängig aufgestellt. Wo auf Lufthansa-Seite möglicherweise ein schneller Call zwischen Frankfurt und München oder Frankfurt und Düsseldorf für Klarheit und eine Entscheidungsgrundlage reicht, braucht es auf unserer Seite mit den vielköpfigen Gremien naturgemäß deutlich mehr Abstimmungszeit. Auch die (seltenen) Vetos des VC-Vorstandes hatten in der Vergangenheit immer den Hintergrund, dass weitere Abstimmung zwischen den Gremien angemahnt wurde, weil ein möglicher Abschluss potenziell von anderen Gremien als nachteilig interpretiert wurde.

Maximale Schlagkraft, Schnelligkeit und Transparenz

Was benötigen wir in der VC, um künftig mit möglichst maximierter Schlagkraft, Agilität und Transparenz eine zukunftsgetriebene Tarifpolitik für die Group betreiben zu können? Unsere Antwort darauf lautet: Wir benötigen ein neues gemeinsames Gremium, das Group Strategic Board (GSB). Das GSB soll uns gezielt immer da als gemeinsames Breitschwert dienen, wo gemeinsame, übergreifende Interessen tangiert sind. Zusammen haben wir in den vergangenen Monaten miteinander um das beste Setting gerungen, um dem Arbeitgeber künftig eine geschlossene und kraftvolle Antwort auf immer neue Plattformen, tarifpolitische Umgehungskonstrukte und undurchsichtige Taktiken geben zu können.

GSB: Wie und wann arbeitet dieses Gremium?

Viele von Euch haben sicherlich bereits den Podcast der KTK zum Thema gehört. Keine Frage - die KTK, die EW-TK und die CLH-TK sind natürlich nach wie vor Eure gewählten und bewährten Vertreter für sämtliche Belange in den jeweiligen Flugbetrieben. Sie sind sozusagen das „Skalpell“, welches vor Ort maßgeschneiderte Lösungen für Euch findet.

Das GSB hingegen, welches vorläufig mindestens monatlich tagt, ist für übergreifende Themen zuständig. Dieses Gremium bezieht seine Kraft und seine Aufträge aus den drei Tarifkommissionen: Nur wenn alle drei Gremien eine Zuständigkeit beim GSB verorten und dieses mit der Lösung beauftragen, wird das GSB tätig.

Das Gremium setzt sich deshalb auch konsequenterweise aus Vertretern aller drei Gremien zusammen, die jeweils von den Einzel-TKs entsandt werden. Moderiert wird das GSB neutral vom Vorsitzenden Tarifpolitik. Wenn ein übergreifendes Thema aufkommt, hat das GSB grundsätzlich zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren:

  • Möglichkeit 1: Es koordiniert die Verhandlungen und Aktivitäten der drei Group-TKs, so dass das Agieren der VC nicht widersprüchlich erscheint oder im schlimmsten Fall sogar geeignet ist, ein „gegeneinander Ausspielen“ zu ermöglichen.
  • Möglichkeit 2: Das GSB wird von den beteiligten Gremien direkt mit der Lösung des Themas beauftragt. Auch dann gilt natürlich: Ein durch dieses Gremium erzieltes Verhandlungsergebnis wird den drei TKs zur Zustimmung vorgelegt, andernfalls kann es keine Gültigkeit erlangen.

Stärker als die Summe seiner Teile: Das GSB

Wie Ihr seht, bedeutet Variante 2 einen „One-Face-To-The-Company-Ansatz“: Egal wo die Lufthansa uns anspricht, trifft Sie immer wieder auf dieselbe Gruppe. Zugegeben – das Prinzip „Teile und Herrsche“ hat die Lufthansa in den vergangenen Jahren zur Kunstform erhoben. Doch mit unserem neuen Setting machen wir es dem Management künftig maximal schwer und erzeugen eine geeinte Front, wo immer wir es für nötig halten.

In einer sich konstant verändernden Welt muss auch die VC-Tarifpolitik immer wieder neue Antworten finden, um in Eurem Interesse bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Tatsache ist, dass wir mit diesem Vorgehen mutig Neuland betreten. Das bedeutet aber auch, dass unser GSB noch in der Beta-Phase ist und im Zeitverlauf Schritt für Schritt angepasst wird, wenn wir die Notwendigkeit dazu sehen. Was sich im praktischen Tarif- und Verhandlungsalltag bewährt, das bleibt und wird verstärkt. Was nicht funktioniert, wird in kleinen evolutionären Schritten angepasst und optimiert.

Was ist mit den anderen Tarifkommissionen des Verbandes?

Die drei TKs des Lufthansa-Konzerns machen nun erste Erfahrungen mit dem neuen Setting, welche uns sehr dienlich sein werden, wenn der Verband sich für eine dritte „Ausbaustufe“ entscheidet, die uns branchenübergreifende Lösungen immer da erlaubt, wo wir sie wollen. Im Idealzustand haben wir letztlich drei Stufen, die wir jeweils da zum Einsatz bringen, wo es am zielführendsten ist.

Um es mit einem Beispiel deutlich zu machen: Wir benötigen eine betriebsspezifische Anpassung für einen „Tarifvertrag Personalvertretung“ (TV PV)? Ein klarer Fall für die Tarifkommission dieses Unternehmens. Doch was ist, wenn wir es für ratsam halten, übergreifende Regelungen zum Manteltarifvertrag im Lufthansa-Konzern zu installieren? Dann beauftragen die drei TKs das GSB. Doch was, wenn wir zum Beispiel für alle Luftfahrtunternehmen Deutschlands gemeinsame Mindestruhezeiten einführen möchten? Dann tritt in der dritten Ausbaustufe ein gemeinsames Branchengremium in Aktion.

Das klingt alles möglicherweise spektakulär und revolutionär – doch in anderen Branchen sind branchenweite Standards mit betriebsspezifischen „Durchbrüchen“ eher der Standard als die Ausnahme. Unser Bemühen ist jetzt, dass wir neue und vielversprechende Ansätze mit Augenmaß so implementieren, dass wir dadurch an Macht und Koordiniertheit gewinnen, ohne auf der anderen Seite bewährte Stärken einzuschränken.

Wichtig an dieser Stelle ist, dass die Ansätze der dritten Ausbaustufe als Idee diskutiert werden, jedoch noch nicht mit den beteiligten Gremien in der nötigen Breite und Tiefe erörtert wurden. Wie ihr jedoch sehen könnt, sind wir auf einem guten Weg.