Mitgliedermagazin der Vereinigung Cockpit

Mental Well-Being, Mental Health und Peer Support für Cockpitbesatzungen

12.01.2022 Flight Safety von Nina Moers, AG DAS

Das Anforderungsprofil an Cockpitbesatzungen beschreibt ein breites Spektrum an Fähigkeiten und Qualifikationen. Um eine hohe Arbeitsbelastung, kritische Situationen und berufliche Stressoren zu bewältigen, ist ein ausgewogenes Verhältnis der Persönlichkeitsfaktoren – bspw. Selbstkontrolle, Gewissenhaftigkeit, etc. – notwendig. Durch die regelmäßige Schulung von Techniken und Verfahren wird eine Routine erzeugt, die den Cockpitbesatzungen helfen soll, in jeglichen Situationen konzentriert und souverän zu bleiben.


Die Kombination der Persönlichkeitsstruktur von Cockpitbesatzungen und die teils antrainierte psychische Widerstandskraft (Resilienz) können eine wirksame Prävention vor seelischen Störungen und Krankheiten sein.


Cockpitbesatzungen sind jedoch nicht unverwundbar. Neben beruflichen Herausforderungen sind sie gleichermaßen privaten Belastungen (zum Beispiel eine Trennung, Trauerfall, eine schwere Krankheit im Umfeld, die Corona Krise etc.) ausgesetzt.


In diesem Zusammenhang tauchen die Begriffe Mental Well-Being, Mental Health und Peer Support immer wieder auf. Doch was bedeuten diese Begriffe?


Die WHO sagt dazu, Mental Health ist "ein Zustand des Wohlbefindens, in dem jedes Individuum seine eigenen Fähigkeiten erkennt und verwirklicht, mit den Belastungen des Lebens zurechtkommt, produktiv und nachhaltig arbeitet und seinen Beitrag für die Gemeinschaft leisten kann."


Mental Well-Being ist eine grundlegende Komponente der psychischen Gesundheit (Mental Health). Mental Well-Being umfasst unter anderem biologische, psychologische, soziale und gesellschaftliche Faktoren, wie z.B. ein sicheres Lebensumfeld, Beschäftigung, Bildung, Freiheit von Diskriminierung und Gewalt und Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen. Neben gesellschaftlichen Faktoren werden individuelle Faktoren wie die Fähigkeit, Gedanken zu verwalten und mit Stressoren umzugehen, sowie kommunikative und soziale Fähigkeiten, die die Verbindung mit anderen unterstützen, benötigt.


Ein Peer-Support-Programm (PSP) ist als eine formale Struktur oder ein System definiert, bei dem ein Peer, der Hilfe benötigt, von einem geschulten Peer in einem vertraulichen Rahmen Unterstützung bei Fragen des psychischen Wohlbefindens oder Stressbewältigung erhalten kann. Ziel ist das Well-Being des Peers zu bewahren und somit die Flugsicherheit zu erhöhen. Die Vertraulichkeit des Unterstützungsprozesses ist absolut! Diese Struktur findet sich z.B. bei der VC SupportLine, Antiskid und CISM der Stiftung Mayday wieder. Peer Support kann auch von Familie, Kollegen oder Freunden eines Peers angestoßen werden. Peer Support geht weit über eine rein reaktive Hilfe hinaus. Vielmehr fördert er pro aktiv Mental Health und Mental Well-Being.


Gerade Mental-Well-Being ist aktueller denn je. Das Umfeld für unseren Beruf hat sich in den letzten fast zwei Jahren stark verändert. Eine Vielzahl von Pilot:innen wurde in die Kurzarbeit geschickt. Dies bedeutete von einem Leben mit unregelmäßigen Dienstplänen von heute auf morgen den Alltag zu Hause zu erleben. Diejenigen, die weiter arbeiten konnten, waren mit ständigen Änderungen der Hygienemaßnahmen und Regularien der verschiedenen Länder konfrontiert. Und für alle gleichermaßen kam eine völlige veränderte soziale Situation. Unser soziales Netz, das uns Kraft und Erholung gibt, war auf einmal weg. Jede:r mußte sich mit der veränderten Situation auseinander setzten. Gerade diese Veränderung der Faktoren, die Mental Well-Being ausmachen (s. Definition oben), kann sehr belastend sein. Umso wichtiger ist es, sich frühzeitig dessen bewusst zu werden und sich gegebenenfalls Hilfe und Unterstützung zu suchen.